oder besser Psychotherapeut*innen in Ausbeutung?
Die Ausbildung zur staatlich anerkannten psychologischen Psychotherapeutin fordert Einiges – vor allem auch Zeit und Geld.
Als Voraussetzung sind 6 Semester Bachelorstudium und 4 Semester Masterstudium im Fach Psychologie zu absolvieren. Als Psychologe kann man sich dann an einem staatlich anerkannten Institut für die Weiterbildung bewerben. Je nach Institut werden bereits für das Bewerbungsgespräch bis zu 100,- Euro verlangt.
Die Ausbildung beinhaltet dann:
600 Stunden theoretische Weiterbildung
Je nach Verfahren 120 – 300 Stunden Selbsterfahrung
1800 Stunden Praktische Tätigkeit
600 ambulante Behandlungsstunden
930 Stunden Vor- und Nachbereitung
150 Stunden Supervision in 100 Stunden Gruppen- und 50 Stunden Einzelsupervision
Ich selbst hatte im Ausland studiert und musste mich zuerst für eines der vielen staatlich anerkannten Institute entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen Einblick, was die Institute unterscheidet und kannte auch niemanden, der die Ausbildung bereits begonnen hatte. Im Nachhinein weiß ich, dass es besonders bezüglich der Qualität und der Betreuung der Auszubildenden große Unterschiede zwischen den Instituten gibt. Glücklicherweise bin ich an einem kleineren und qualitativ-hochwertigen Institut gelandet. Mit Beginn der Ausbildung starteten monatliche Zahlungen von mehreren Hundert Euro. Das Wichtigste war dann möglichst schnell einen Praktikumsplatz zu bekommen. Erst nach 1800 Stunden der praktischen Tätigkeit und der erfolgreich absolvierten Zwischenprüfung kann man im Curriculum mit den ambulanten Therapiesitzungen anfangen. Bei der Suche nach einem Praktikumsplatz musste ich erst mal von langen Wartezeiten erfahren, je nach Klinik von bis zu zwei Jahren. In Kliniken in ländlicheren Gegenden sah es da einfacher aus, so dass ich täglich 50 km von München gependelt bin, um mein Praktikum zu absolvieren.
Dieses Praktikum haben die meisten Kliniken ganz wunderbar für sich genutzt. Es erlaubt ihnen, Psycholog*innen mit Studienabschluss einzusetzen und dafür kaum Ausgaben zu haben. Das durchschnittliche Gehalt für eine PiA (Psychotherapeutin in Ausbildung) liegt bei monatlich 500 Euro bei einer Vollzeit-Beschäftigung. Von Mindestlohn kann nicht die Rede sein. Als vollwertige Kraft werden die PiAs trotzdem eingesetzt. Kein Praktikum, das aus Mitlaufen, Zuschauen, Fragen stellen und Zeit für Literaturrecherche besteht. Viele Kliniken würden ohne PiAs ihren Tagesbetrieb kaum aufrechterhalten können. Gruppentherapien, Einzelgespräche, Dokumentation, Studienassistenz, Verfassen von Befunden uvm. sind klassische Aufgaben der Psycholog*innen. Von der Uni kommend, mit monatlichen Zahlungen und geringfügigem Gehalt (plus höheren Ausgaben aufgrund des Pendelns), stand ich vor einem Dilemma. Nebenher Jobben war zeitlich kaum mehr möglich, die Wochenenden waren ja durch die Theorieseminare auch verplant. Finanzielle Förderungen gab es auch keine, man hat ja mit dem Studium bereits eine Ausbildung. Wer da noch Psychotherapeutin werden kann, muss entweder Ersparnisse haben, finanzielle Unterstützung von den Eltern oder dem Partner bekommen oder nimmt einen Kredit auf. Ich hatte mich, wie einige meiner Kolleginnen, dafür entschieden, vorübergehend zu meinen Eltern zurückzuziehen, um mir Unterhaltskosten zu sparen.
Als die Praktikumszeit endlich geschafft war, wurde es leichter, wobei das bei der Ausbildung relativ ist. Neben einer Anstellung opfert man freie Tage oder den Feierabend, um in der Ausbildungsambulanz ambulante Therapien durchzuführen. 600 Stunden braucht man insgesamt, jede vierte Sitzung muss supervidiert werden und das kostet wieder. 100,- Einzelsupervision, 50 ,- Euro Gruppensupervision, die Termine müssen mit der Arbeit koordiniert werden, teilweise fallen dafür noch Fahrzeiten an, um in die Praxen der jeweiligen Supervisor*innen zu kommen.
Arbeiten in einer Anstellung, Therapie durchführen in einer „selbstständigen“ Ausbildungstätigkeit, Theorie- und Selbsterfahrungsseminare besuchen, Supervisionstermine wahrnehmen, Anträge schreiben, Lernen, …
Ach und hatte man abgesehen vom Beruf eigentlich noch ein Leben? Freunde, Partner, Hobbies, Familie?
Ich würde mir wünschen, dass die Arbeit von Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen mehr Ansehen erfährt und die Ausbildungsbedingungen sich deutlich verbessern. Die Umstellung von der Ausbildung auf einen Studiengang ist ein guter Anfang, die Umsetzung wird spannend.
Besonders in Kliniken sind Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen aber nach wie vor stark benachteiligt. Wünschenswert wäre eine Angleichung der Stellung von psychologischen und ärztlichen Kolleg*innen in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken. Aktuell wird ein Mediziner nach dem Studium Assistenzarzt und kann sich zum Facharzt weiterbilden, was in der Regel im Rahmen einer klinischen ärztlichen Tätigkeit stattfindet und nach Tarif vergütet wird. Psycholog*innen werden wieder Praktikant*innen, arbeiten für ein geringfügiges Praktikumsgehalt und absolvieren ihre Weiterbildung in ihrer Freizeit und finanzieren dies zusätzlich selbst. PiAs sollten genau wie Assistenzärzt*innen eine Anstellung und ein volles Gehalt bekommen. Theoretische Ausbildung sollte im Rahmen des Studiums oder im Rahmen der beruflichen Tätigkeit stattfinden. Außerdem sollte die tarifliche Eingruppierung von Psychotherapeut*innen (E14) besser durchgesetzt werden, was meiner Erfahrung nach nicht der Fall ist. Wer würde denn auf die Idee kommen, eine Fachärztin in der tariflichen Eingruppierung geringer einzustufen als ihm gesetzlich zusteht?
Ein Gastbeitrag von Laurenzia