Soziale Gerechtigkeit – was verstehst du darunter?
Dass der Staat individuelle Nachteile, die ganz viele Menschen aus unterschiedlichsten Gründen haben, so ausgleicht, dass alle die Möglichkeit bekommen, ein glückliches Leben voller Chancen zu leben. Dazu muss Politik die, die viel haben, stärker in die Pflicht nehmen, um Ressourcen zu haben für jene, die Unterstützung benötigen.
In unserer kapitalistischen Gesellschaft ist der Versuch soziale Gerechtigkeit herbeizuführen eine nicht enden wollende Aufgabe. Sind die, die für soziale Gerechtigkeit kämpfen, daher automatisch Antikapitalist*innen?
Nein, das würde ich so absolut nicht sagen. Ich bin sicher, dass unsere Gesellschaft, wenn sie Kapital und Ressourcen gerecht verteilt, beides haben kann: soziale Gerechtigkeit für alle und individuellen Erfolg für jene, die ihn anstreben. Ich wünsche mir auch, dass Politik hier mutiger wird und die Bestverdienenden mehr in die Pflicht nimmt und auch offensiv vermittelt, warum das notwendig ist: Weil es dann allen am besten geht, wenn es allen gut geht.
Die Kommune hat nur einen eingeschränkten Spielraum. Was darf sie im sozialen Bereich und was darf sie eben nicht?
Leider dürfen wir fast nichts ändern an den Systemfragen (Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, Einkommens-, Erbschafts- und Vermögenssteuern, Mieterschutz). Da ist ausschließlich der Bund zuständig. Als Kommune müssen wir mit den Folgen leben. Wir versuchen da fantasievoll an oder über der Grenze des rechtlich und finanziell Möglichen, für unsere Münchnerinnen und Münchner was zu erreichen, durch strukturelle Hilfen, oder durch mutige Vorstöße wie zum Beispiel den Versuch, die Grundsicherung im Alter in unserer Stadt spürbar zu erhöhen. Aber das ist mühsam.
Wünschst du dir, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommune ausgeweitet werden und wenn ja, was würdest du gerne machen wollen?
In jedem Fall müssen die Lebensbedingungen der Menschen in den großen Städten deutlich stärker in den Blick genommen und entsprechend politisch gehandelt werden. Das kann auch von Berlin aus geschehen und muss es bei den oben schon angesprochenen Fragen auch. Trotzdem brauchen die Kommunen mehr Spielraum, denn wir wissen hier am besten, was die Menschen brauchen.
Die SPD ist seit Jahrzehnten an der Regierung in München. Was sind die Leuchtturmprojekte die wir im Bereich der sozialen Gerechtigkeit realisiert haben?
Wir haben in allen Bereichen viel getan. Besonders toll finde ich unser dichtes Netz an offenen Einrichtungen und Treffpunkten für alle Altersgruppen. Jugendfreizeitstätten, Nachbarschaftstreffs, Familienzentren, Treffs für Wohnungslose und natürlich die Alten- und Service-Zentren, aber auch die Kulturbürgerhäuser und ganz viele Sportvereine leisten einen nicht hoch genug zu würdigenden Beitrag für ein sozial gerechtes München.
Auch in den letzten Jahren haben wir einiges erreicht. Was sind deine drei Lieblingsprojekte die wir umsetzen konnten?
Die neuen Leistungen in den ASZ (kostenfreies Mittagessen, Fahrdienste, Haushaltshilfen), die Verschärfung der Abwendungserklärung für besseren Mieterschutz, und natürlich die von uns initiierte Kitagebührenfreiheit, die ganz vielen Familien hilft, sich das Leben in München weiterhin leisten zu können.
In die Zukunft gerichtet, was willst du/wollen wir alles noch erreichen?
Eine Stadt ohne Wohnungslose wäre mein größter Wunsch. Ich halte das auch nicht für unmöglich. Das setzt aber eines voraus: Dass die Menschen wieder solidarischer werden und auch großen Wohnungsbauprojekten in ihrer Nachbarschaft aufgeschlossen gegenüberstehen. Ein München, das auch an die Schwachen und nicht nur an sich selbst denkt, hat aus meiner Sicht die besten Zukunftschancen.
Für uns natürlich auch ganz wichtig: was will die SPD München für die Jugend in den nächsten sechs Jahren in dem Bereich ermöglichen?
Jugendliche brauchen mehr Raum und Freiheit. Das ist in einer dichten und teuren Stadt das Wichtigste. Jugend besteht aus mehr als Schule, Jugend ist sehr individuell. Unser Ziel ist es, besonders die zu unterstützen, die sich schwertun, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung oder weil sie noch nicht gut Deutsch können. Jugendliche sollen ab 16 wählen dürfen und mehr mitgestalten dürfen. Dazu muss es neben langwierigen Bürgerversammlungen neue, spannende Formate geben.
Soziale Politik zusammen mit der CSU – geht das? Bzw. geht das gut?
In der letzten Amtszeit ging das hier in München recht gut. Wir hatten viel Geld und sie haben einfach bei allem mitgestimmt. Echte Impulsgeber sind sie nicht. Und wenn die Kassenlage schlechter wird, bin ich mir nicht sicher, ob das Soziale bei ihnen erste Priorität hätte.
Ein Interview von Carmen