Eine brennende und leidenschaftlich geführte Debatte ist unter den etablierten Parteien wieder aufgebrochen, seit die AfD existiert: Soll man mit den Schmuddelkindern vom rechten Rand des Parteienspektrums sprechen oder Sie ignorieren? Marginalisierung oder Konfrontation? Auch innerhalb der Parteien sind die Vertreter*innengespalten, wie also soll man mit der AfD umgehen? Die Parteien, insbesondere die SPD, sind verpflichtet, in die Offensive zu gehen und zu konfrontieren. Um zu verstehen warum, muss man zunächst einen einfachen Fakt akzeptieren: Die AfD sitzt in sämtlichen Landesparlamenten und im Deutschen Bundestag(Dasgilt übrigens nicht für Grüne, Linke und die FDP) und hat damit eine institutionelle demokratische Legitimation. Und damit auch die Bühne, die die Rechtspopulist*innenhaben wollten: Das Parlament, den Altar der Demokratie. Daraus folgt, dass es zum Ignorieren der Partei schlicht zu spät ist, sie haben nun selbst die Mittel, um sich Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit zu verschaffen. Daher bleibt nur noch die Möglichkeit der Konfrontation. Es gilt, den Stier bei den Hörnern zu packen. Die direkte Auseinandersetzung bietet auch Möglichkeiten, die die Parteien beim Ignorieren der AfD nicht hat. Die SPD kann die AfD als das Entlarven was sie ist, eine völlig inhaltsleere Ein-Themen Partei, die auf die drängenden Fragen der Bürger*innen keine Antworten hat. Kennt den jemand die Konzepte der AfD zu den Themen Klima, Umweltschutz, Infrastruktur, Wohnen, Rente und Bildung? Niemand? Tja, das mag daran liegen, dass die AfD hier schlicht keine Konzepte hat. Außer Fremdenfeindlichkeit und einem dumpfen, unausgegorenen Wirtschaftsliberalismus hat die Partei nämlich gar nichts zu bieten. Die Rechtspopulist*innen sind gut im schimpfen, sollten sie aber führen, sie hätten keine Lösungen für die meisten Probleme des Alltags zu bieten. Die AfD verweist immer wieder darauf, dass man zu bestimmten Themen noch nach Konzepten sucht und man dafür noch Zeit benötige.
Anfangs mag das ja noch Authentizitätspunkte und damit auch Sympathie gebracht haben, allerdings ist die Partei mittlerweile im politischen Alltag der Bundesrepublik angekommen. Und immer noch nicht hat sie Ideen, wie sie beispielsweise die Rentenproblematik oder die Wohnsituation angehen möchte. Die SPD sollte daher die Auseinandersetzung nicht scheuen und vielmehr den Finger in die Wunde der Rechtspopulist*innenlegen,deren offenkundige Ahnungslosigkeit und mangelnde Expertise. Anstatt sich darüber Sorgen zu machen, den Populist*inneneine Bühne zu bieten, sollte man Sie lieber im Kampf auf der Bühne besiegen. Mit überzeugenden Konzepten und Inhalten, die die Sorgen der Bürger*innen berücksichtigen und ihre Probleme lösen. Zudem bedarf es scharfen Widerspruchs, wenn die Vertreter*innen der einfachen Antworten ihre simplen Lösungen anbieten.
Also Mut zur Komplexität! Mut zur Empathie! Und zu guter Letzt Mut zum Kampf! Denn wie schon Herrmann Müller sagte: „Solange man schnaufen kann, muss man kämpfen!“
Mit diabolischen Grüßen – Anwalt des Teufels
Die Zeit des Redens ist vorbei!
Auch ich habe früher mit allen geredet. Die Macht der Worte, der Glaube an das Gute im Menschen, ja, auch eine gewisse Hufeisentheorie hat mich dabei geleitet. Hat es nicht jede*r verdient, dass wir ihm zuhören, wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der jede*r frei ist? In der der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt? Wenn ich Toleranz verlange, muss ich dann nicht selbst endlos tolerant sein?
Währenddessen hat der NSU mindestens 10 Morde begangen.
Ich habe auf PEGIDA-Demos mit diesen Leuten gesprochen. Stundenlang. Höflich. Interessiert. Verständnisvoll für ihre berühmten „Sorgen“. Haben die je die Seiten gewechselt? Haben sie deswegen aufgehört, sich rassistisch zu äußern und zu verhalten? Nein. Die sind weiter bei PEGIDA gewesen. Ich habe mich stundenlang mit Verwandten unterhalten, die stolze Wähler der blaubraunen sind. Sie haben die bei der Landtagswahl erneut gewählt und ich habe mir mehrere Stunden rassistischen Mist anhören müssen.
Seit 1990 wurden in diesem Land mindestens 183 Menschen aus rechtsextremen Motiven getötet.
Während wir weiterhin darüber nachdenken, wie wir jetzt mit diesem Ach-so-neuen Rechtsextremismus umgehen sollen – man muss den Leuten doch zuhören! MEINUNGSFREIHEIT! – hat ein Nazi den Regierungspräsidenten von Kassel regelrecht hingerichtet. Weil dieser 2015 gesagt hat, dass es das Recht eines jeden Deutschen sei, Deutschland zu verlassen, wenn man mit seinen Grundwerten nicht einverstanden sei.
Faschismus wurde noch nie durch Zuhören, Reden und Einbindung besiegt. Bei der Bundestagswahl 2017 haben ca. 6 Millionen Wähler*innen im Land, von dem einst der Holocaust ausging, rechtsradikale und rechtsextreme Parteien gewählt. Die CDU in Sachsen wird wahrscheinlich eine Koalition mit der sogenannten „Alternative“ eingehen.
Eine erste Überprüfung von 3.300 bislang unaufgeklärten Tötungsdelikten auf Opfer- und Tatmerkmale hat ergeben, dass in insgesamt 746 Fällen mit 849 Todesopfern zwischen 1990 und 2011 Anfangsverdachtsmomente für ein rechtsextremes Tatmotiv vorliegen, bestätigte das Bundesinnenministerium am 4. Dezember 2013.
Nein, wir sollten nicht mit Rechten reden. Wir sollten sie blockieren, sie bekämpfen. „Make Racists afraid again“ – die sollen wieder so viel Angst vor den Konsequenzen ihres Handelns – wie z.B. soziale Ächtung, Jobverlust, Gefängnisstrafen – haben, dass sie sich nicht trauen, ihren Hass zu verbreiten. Doch stattdessen haben wir in den letzten Jahren jede Woche bundesweite Bühnen für rechte Hetzer*innen: Talkshows. Von Anne Will bis Plasberg: Alle laden sie die sogenannte „Alternative“ und ihre Vertreter*innen ein. Was passiert, wenn man solche Leute mit ihren Positionen in Gesprächsrunden einlädt? Mehrere Dinge:
Jede*r distanziert sich von den Äußerungen und wiederholt dabei deren Framing und stärkt ihr „Rebellentum“ – „Endlich sagt es mal wer!“
Egal zu welchem Thema diskutiert werden sollte: Es wird dann doch wieder über deren Themen geredet, weil man deren Äußerungen ja nicht unkommentiert stehen lassen kann – es wird wieder ihr Framing gestärkt.
Sie bekommen eine enorme Reichweite.
Rechtsextreme diskutieren nicht. Sie zerstören die Debatte, um zu gewinnen. Und sie haben einen Plan. Vielleicht nicht das „Fußvolk“. Aber ihre Rädelsführer*innen. Und wenn wir mit Rechten reden, ihnen eine Plattform bieten, werden wir immer Teil ihrer Inszenierung.
Die Folge: die Grenzen des Sagbaren werden verschoben. Immer weiter. Nach Rechtsaußen. Rassismus normalisiert sich. Und aus Worten werden Taten.
2018 zählte das BKA 871 rechtsmotivierte Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität. Die Dunkelziffer liegt sehr viel höher, sagen Opfer(beratungs)verbände.
Nein, wir sollten nicht mit Rechten reden.
Und mal ganz persönlich: Es ist anstrengend, auslaugend – und bringt keinen Ertrag. Beim Blick zurück auf all die Versuche, zeigt sich, dass mein emotionaler Aufwand viel größer war als das Ergebnis. Denn Nazis lassen sich von außen nicht überzeugen, ihre Ideologie ist felsenfest. Die Erleuchtung muss schon von innen stattfinden – und in diesen Fällen übernimmt ein Verein wie EXIT-Deutschland, ein Aussteigerprogramm für Rechtsradikale. Wir können dazu beitragen, dass die Erleuchtung stattfindet: Durch den konsequenten Ausschluss aus der Gesellschaft, durch ein offenes, tolerantes, buntes Leben, das Spaß macht. Manch einer erkennt beim Blick „nach drüben“ dann vielleicht, dass das Leben so viel schöner ist.
2018 waren allein in Ostdeutschland 1789 Personen Opfer rechter Gewalt, darunter 250 Kinder und Jugendliche (Quelle: Verband der Beratungsstellen (VBRG)).
Während die Mitte™ noch immer völlig ratlos scheint, wie es soweit kommen konnte, dass unter Ausnutzung der Toleranz die Intoleranten wieder immer mehr Macht gewinnen – schon Goebbels hat genau dies als Strategie ausgegeben – obwohl denen doch zugehört wird, ihnen rassistische Gesetze und Debatten, ob Seenotrettung nun wirklich sein muss, geschenkt werden, haben wir inzwischen mindestens 25000 Rechtsextreme in Deutschland, davon knapp die Hälfte gewaltorientiert – und das sind nur die Zahlen des Verfassungsschutzes, der den NSU mit ermöglichte. Und mit denen soll man reden? Mit denen soll man diskutieren? Wozu? Um einen Kompromiss zu finden? Wie soll denn ein Kompromiss mit Rassist*innen aussehen?
Seit 2014 sind wahrscheinlich rund 20.000 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken.
Und: Was glaubt ihr, passiert, wenn eine nicht-weiße Person, vielleicht auch noch nicht-männlich, mit Nazis redet? Für marginalisierte Gruppen bedeutet das eigentlich immer: Reden mit Leuten, die dich vernichten wollen und dich dein ganzes Leben auch so behandelt haben. „Die Forderung, man müsse mit Rechten reden, fußt auch auf der Annahme, man habe die Wahl“, schrieb die taz-Redakteurin Saskia Hödl im November 2018 in einer Kolumne. „Weiße Menschen haben diese Wahl. Sie können diesen Diskurs an- und ausknipsen wie eine Stehlampe, die mal passend das Zimmer erleuchtet und mal nervig blendet.“ Alle anderen werden ohnehin regelmäßig mit rechten Weltbildern konfrontiert, ob sie wollen oder nicht.
„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ (Karl Popper)
Keine Toleranz der Intoleranz.
Die Zeit des Redens ist vorbei.
Es ist die Zeit, in der wir alle klar Stellung beziehen müssen. Lautstark, immer wieder, überall. Zeigt denen, dass sie nicht willkommen sind, dass sie eine Minderheit sind. Zeigt den Opfern rechter Gewalt, dass wir solidarisch sind, sie nicht allein lassen und dass wir als Gesellschaft anders sein wollen. Zeigt allen, die empfänglich sein können für rechte Propaganda, dass es ungemütlich wird, so was zu äußern. Redet nicht mit ihnen. Bekämpft sie. Übertönt sie. Blockiert sie.
Alerta!
Und während dieser Text geschrieben wird, hat ein Mann in Hessen einen Eritreer niedergeschossen. Aus purem Rassismus.
P.S.: Wer sich mal vertiefter mit rechten Diskursstrategien beschäftigen will, dem sei folgender Ausschnitt aus der Diplomarbeit von Natascha Strobl ans Herz gelegt: https://schmetterlingssammlung.net/2013/04/16/kommunikationsstrategien-der-neuen-rechten-2/
antifaschistische Grüße – der sozialistische Engel