China setzt seine Pläne in die Tat um: Mit der Einführung eines Social Scoring Systems versucht der Staat die absolute Kontrolle über die Bürger*innen zu erlangen. Dein Score ist nicht hoch genug? Dann darfst du leider nicht zu deinen Eltern reisen. So geschehen in China.
Auch hier in Deutschland betreiben zum Beispiel Krankenkassen bereits ein Scoring System. Geld zurück für einmal Zahnprophylaxe und die Prostatavorsorge. Was sich zunächst gut und sinnvoll anhört, versteckt aber die eigentliche Intention hinter diesem System. Der Mensch darf bloß nicht zu viel kosten und dem Staat so wenig wie möglich auf der Tasche liegen.
Noch gibt es für das richtige Verhalten eine Belohnung. Von da aus ist es aber nicht mehr weit zu einer “Bestrafung” für Anti-Scoring Verhalten. Beitragssteigerungen oder Kürzungen der Leistungen sind hier durchaus denkbar.
Wir müssen uns daher drei Fragen stellen: Wie sehr darf ein Staat einen Menschen zu seinem Glück zwingen? Wann hört die Schutzpflicht des Staates auf bzw wann haben wir einen Eingriff in die Freiheitsrechte, der nicht mehr hinnehmbar ist? Und schützen wir einen Menschen, wenn wir ihm als Bestrafung Schutz entziehen?
Die Dystopie eines gläsernen Menschen, dessen Handeln und Leben durch die über ihn gesammelten Daten für den Staat vorhersehbar und beeinflussbar ist, scheint in China gerade Wirklichkeit zu werden. Als freiheitliche Gesellschaft ist ein solches System abzulehnen. Eine Gesellschaft soll sich frei und manchmal auch wild entfalten und nicht gelenkt werden können.
Ermittelt man über private Daten wie Schulden, Konsumverhalten, Beruf, Vorstrafen, Ausleihverhalten in der Bibliothek oder ähnlichem einen Social Score, entsteht “soziales Kapital”, das man in Vorteile umtauschen kann. Je besser dein Score, desto eher bekommst du den Job oder erleichterte Einreisebedingungen (wie gerade zwischen China und Kanada vereinbart).
Am Ende ist ein solches System abermals ein Ausdruck kapitalistischer Klassengesellschaft, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter auseinandertreibt. Kein vernünftiger Mensch kann ein System als solches unterstützen – egal wie gut der Datenschutz ist. Denn auf den Score kommt es an.
Mit solidarischen Grüßen, euer sozialistischer Engel
China hat es angekündigt, China hat es durchgezogen: Die Einführung eines Social Scoring Systems in allen Bereichen der Gesellschaft. Es handelt sich um eine umfassende Methode, ja das Leben von Menschen anhand wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und persönlicher Faktoren zu beurteilen. So fließen in die Bewertung neben der Kreditwürdigkeit, der Zahlungsfähigkeit und dem Strafregister auch persönliches Verhalten und persönliche Beziehungen mit ein. Anhand dieser Bewertungen bekommen die Bürger*innen Punkte auf Ihrem Socialcore hinzu addiert oder abgezogen. Ein guter, also hoher Social Score führt zu einem einfacheren Zugang zu Krediten oder zu einer schnelleren Bearbeitung von zum Beispiel Visa-Anträgen. Eine niedrige Punktezahl hat hingegen einschlägige negative Effekte. Dazu zählen Einschränkungen der Reisefreiheit, die Drosselung der Internetgeschwindigkeit oder sogar ein höherer Steuersatz.
Kritiker*innen werfen der chinesischen Regierung damit den Wunsch nach totalitärer Kontrolle vor. Aber ist es nicht einfach nur eine effektive Art und Weise, Gesellschaften mit modernen technischen Möglichkeiten zu steuern und Werte und Moral zu den Bürger*innen zu tragen? In Deutschland wird beispielsweise seit langem der Verfall des Ehrenamtes beklagt. Social Scoring Systeme können hier der Leistung von Ehrenamtlichen Rechnung tragen: Wer sich in die Gesellschaft einbringt, wird dafür mit verbesserten Leistungen belohnt (Preisnachlässe für Reisen, schnellere Bearbeitung von amtlichen Angelegenheiten, Steuernachlässe etc.). Ein solches Belohnungssystem ist für vielerlei denkbar. Zum Beispiel für Blutspenden, Anmeldung zur Organ- oder Knochenmarkspende, Einbringung in kulturelle Veranstaltung oder für Spenden. Im Prinzip kann die Regierung damit Anreize für all die Aktivitäten setzen, zu denen sie die Bürger*innen NICHT verpflichten möchte. Dann könnten sich Politiker*innen zukünftig auch die weitgehend nutzlosen Appelle an das Gewissen und die Moral zukünftig ersparen.
Warum sollte sich eine demokratische Gesellschaft diese Möglichkeit selbst nehmen? Wenn sie es gewährleisten kann, durch die Errichtung unabhängiger Institutionen zur Datenüberwachung und Kontrolle, dass mit den Daten kein Schindluder passiert, ist ein Sozialkredit-System ein fantastisches Werkzeug zur Förderung demokratischer und sozialer Verhaltensweisen. Anstatt also China für ein System zu kritisieren, in dem wir nur Hybris und den Wunsch nach totalitärer Kontrolle erkennen, sollten wir den Gedanken kapern und selbst umsetzen. Aber demokratisch und eingehegt in unsere demokatrischen Systeme. Auf diese Weise könnten wir auch dem Missbrauch besagter Daten durch Konzerne einen Riegel vorschieben.
Da ohnehin so gut wie alle Bürger*innen privatwirtschaftlichen Akteuren ihre Daten hinterherschmeißen, könnten Demokratien sich hier einklinken und sich die Bequemlichkeit der Leute zu Nutze machen. Wenn Sie dann noch die Datenmengen schützen, schlechtes Verhalten sanktionieren und gutes Verhalten belohnen, nähern wir uns einer freiheitlichen und solidarischen Gemeinschaft. Welches Verhalten schlecht und welches gut ist, unterliegt natürlich dem Zeitgeist und gesellsschaftlichen Wandel und muss regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden. Hierzu können die Bürger*innen direkt befragt werden. So viele Möglichkeiten bietet uns ein Sozialkreditsystem, dass es beinahe fahrlässig wäre, als Demokratie diese Entwicklung zu verschlafen. Machen wir es selbst! Aber richtig.
Mit diabolischen Grüßen, der Anwalt des Teufels