Oppa, Balkan Style!

Von Milos Vujovic

Der Südosten Europas hat sich still und heimlich aus unserem Blickwinkel verabschiedet. Das letzte Mal, dass wir wirklich etwas tagesaktuelles hörten, stammt aus der Zeit, als die Balkanroute für Flüchtende geschlossen werden sollte. Die Lage vor Ort? Interessierte zu dem Zeitpunkt relativ wenig, Höchstens einmal kurz, als einige Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Sonst? Fehlanzeige.

Wie bekannt ist diese Region eigentlich noch? Politisch Interessierte werden sich noch an die Zerfallskriege 1992 – 1995 und den NATO-Einsatz 1999 in Jugoslawien erinnern. Die Namen Slobodan Milosevic, Franjo Tudjman, Hashim Thaci oder Alija Izetbegovic sind schon etwas schwerer aus der Erinnerung hervorzukramen.

Das positive daran: man verbindet den Balkan heute eher mit Urlaub an der kroatischen Riviera, Cevapcici und Kaffee aus Bosnien oder Belgrad als riesige Party-Location. Freitags geht man zu Balkan-Partys oder Jugo-Konzerten, die unter Garantie irgendwo in der Nähe stattfinden oder jubelt einer/einem Spieler*in beim Fußball zu, während diese die Farben des eigenen Lieblingsvereins auf dem Rasen verteidigen. Irgendwo hat man dann auch im Freundeskreis mindestens eine Person, die ein wenig abgedrehte Storys erzählt, die ihr/ihm passiert sind, wenn sie mal wieder für ein bis zwei Wochen gen Südosten verschwinden, deren Orts- oder Inselbezeichnungen auffallend wenig Vokale haben. 

Man wundert sich höchstens ein paar Sekunden, wie man denn nun dieses „Krk“ aussprechen soll. Gibt es dann aber auch relativ schnell wieder auf. Denn so viel Verspätung haben sie dann beim verabredeten Termin dann doch nicht, diese Jugos…meistens.

Wie sieht es aber in diesen Ländern aus, von denen sie erzählen. Wenn sie mal wieder die Großeltern besucht haben oder den Sommer an der Küste verbracht haben oder was auch immer? Dazu wissen wir herzlich wenig, wenn wir ehrlich sind.

Diese Lücke wollten wir dann mal wieder schließen. Dazu haben wir uns eine besondere Location ausgesucht. Das ehemalige Kulturzentrum der Jugoslaw*innen in München. Heute das Eine-Welthaus.

Eingeladen haben wir uns den Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Südosteuropa Josip Juratovic, MdB und Prof. Dr. Marie Janine Calic von der LMU München. Ihres Zeichens ehemalige Beraterin des UN-Sondergesandten für das ehemalige Jugoslawien.

Wir staunten dann nicht schlecht, als wir zu hören bekamen, dass der Balkan doch nicht so ganz vergessen ist, wie wir glaubten. Nur etwas anders. „Da wird doch gerade nicht geschossen. Warum bringst du das immer wieder hervor?“ So zumindest auf so manchem parlamentarischen Gang.

Das Thema gilt als uninteressant. Oder zumindest ist es nicht auf der Prioritätenliste ganz oben. Kroatien und Slowenien sind doch in der EU. Der Rest…man wird sehen.

In der Zwischenzeit, wurde im serbisch-dominierten Teil Bosniens allerdings ein Referendum abgehalten, dass die Friedensordnung von 1995 in Schutt und Asche legen könnte. In Serbien ist Säbelrasseln zu hören. Das ist allerdings auch ein bewährtes Rezept. Nationalismus hat schon in den letzten 30 Jahren von sozialen Krisen und Korruption abgelenkt.

Kroatien ist ja in der EU. Da müssen wir uns keine Sorgen machen, oder? Nun, auch nicht so ganz richtig. Rechtsnationalistische, klerikale und neofaschistische Gruppierungen versuchen den säkularen und demokratischen Sozialstaat aus den Angeln zu heben. Ideologie? Auch. Hauptgrund ist allerdings, dass sich im tobenden Kampf um das Wertesystem eines Staates die heimliche Bereicherung durch Korruption und Nepotismus gut verstecken lässt.

Mazedonien, Montenegro und Kosovo? Stabil geht anders. Korruption, Nationalismus und rivalisierende Eliten. Man bekommt langsam wieder klare Vorstellungen, woher der Begriff Balkanisierung kommt.

So, all gone to hell? Nicht wirklich. Festzuhalten bleibt, dass überall eine starke Zivilgesellschaft existiert, die sich nicht (mehr) einschüchtern lässt. Die Mittel, die in den 1990er Jahren noch erfolgreich zur Unterdrückung dienten, greifen so langsam nicht mehr. Es bildet sich Opposition in den Parlamenten. Sozialdemokratische Parteien oder linke Bewegungen sind es, die für mehr soziale Gerechtigkeit, eine demokratische Gesellschaft, Antifaschismus oder den Kampf gegen Korruption einstehen. Sie sind es, die eine Flamme der Hoffnung entzünden in einer z.T. sehr trostlosen Lage. 

Unsere Aufgabe als Sozialistinnen und Sozialisten bleibt dabei sie zu unterstützen. Orte des Dialogs und der Zusammenarbeit mit zu schaffen. Zu zeigen, dass Verständigung möglich ist. Nation keine Rolle mehr für das Wohl der Menschen spielen darf. Wir die Perspektive und Stabilität in Europa schaffen, nach der sie sich sehnen. Damit sie noch in eine Europäische Union eintreten können, wenn die Konsolidierungsprozesse in den Staaten abgeschlossen sind.

Das ist unsere Aufgabe. Diese bewältigen wir als Jusos und/oder mit der SPD. Es bleibt aber viel Arbeit.


Wir als Münchner Jungsozialist*innen werden diese europäische Perspektive weiterverfolgen. Nicht zuletzt nach dieser Veranstaltung.

Schreibe einen Kommentar