Die Pharmazeutische Industrie und Ihre Tücken

Viele Pharmaunternehmen geraten gerade in den Fokus der Öffentlichkeit. Und dies auf eine positive Art und Weise, denn in Zeiten einer neuen, grassierenden Pandemie bislang unbekannten Ausmaßes setzen viele ihre Hoffnung in die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes oder zumindest eines Therapeutikums. Nebenher ist die Pharmaindustrie von der aktuellen Krise auch in wirtschaftlicher Hinsicht mit am wenigsten betroffen, ihre Produkte werden nun mehr denn je gebraucht und viele Regierungen stufen ihre pharmazeutische Industrie als „systemkritisch“ ein. Das heißt, sie dürfen auch dann weiter produzieren, wenn alles andere geschlossen wird.

Nun ist es sicherlich zu begrüßen, dass Pharmaunternehmen von selbst aktiv werden und den Kampf gegen Covid19 aufnehmen. Im Zuge aller Verlautbarungen, Ausnahmezustände und Hoffnungsschimmer sollte aber nicht vergessen werden, dass Pharmaunternehmen kapitalistische Unternehmen sind und sich wie alle anderen auch dem Profitstreben verschrieben haben. Dass dieses Ziel im globalen  Pharmamarkt dominierend ist und nicht ein anderes, wie zum Beispiel die Ausrottung von Krankheiten wie Ebola, lässt sich an vielen Mustern bestimmen. Eines davon sind die Pipelines der Pharmakonzerne, also Produkte die sie in den kommenden Jahren auf den Markt bringen werden. Hier sieht man, dass die meisten neuen Medikamente in den Bereichen Impfstoffe und Onkologie auf den Markt gebracht werden.  Für Onkologie liegt das am potenten Absatzmarkt im globalen Norden, die Menschen dort können es sich leisten Ihr Geld für kostspielige Therapien auszugeben, um Ihr Leben um ein paar Jahre zu verlängern.  Forschungsgelder fließen also nicht zwingend in den Bereich, der am notwendigsten erscheint, sondern in die Bereiche mit den lukrativsten Absatzmärkten. Ähnlich verhält es sich bei Impfstoffen. Fairerweise sind hier die F&E Kosten tatsächlich enorm, der Gewinn aber bei erfolgreichem Produkt und Marktzulassung weitaus enormer.  Daher gibt es keine sehr guten Mittel gegen Krankheiten wie Ebola. Diese furchtbare Krankheit wütet vorrangig in wirtschaftsschwachen Ländern, daher lohnt es sich für Pharmafirmen nicht, in ein Heilmittel dafür zu investieren.

Wo Pharmaunternehmen aber Geld wittern, investieren sie auch rein und liefern innovative und erfolgreiche Beiträge zur Medizin. Novartis hat vergangenes Jahr Schlagzeilen mit der Zulassung für das teuerste Medikament der Welt gemacht. Zolgensma ist ein Mittel gegen die Erbkrankheit spinale Muskelatrophie (SMA) und kostet schlappe zwei Millionen Dollar pro Dosis. Dafür muss das Mittel im Gegenzug zu alternativen Medikamenten nur ein einziges Mal verabreicht werden. Die Arznei ist hochemotional besetzt, da es für den Einsatz an Kleinkindern unter zwei Jahren gedacht ist. Der Konzern verlost nun 100 Dosen davon auf der ganzen Welt. Im Zuge der Zulassung wurde die Debatte laut, wie sehr solche kostspieligen Gentherapien in Zukunft unsere Krankenkassen belasten würden. Es ist zwar erfreulich, dass neuartige, genbasierte Therapien helfen können, Krankheiten zu heilen, die lange als unheilbar galten. Allerdings sind die Produktionskosten durch die hochspezialisierten Verfahren deutlich höher als bei klassischen Medikamenten. Allerdings wurde in der Debatte nie die Frage gestellt, ob diese deutlich höheren Kosten tatsächlich die aufgerufenen Preise rechtfertigen. Weder fragen Behörden in diesen Fällen nach einer Offenlegung der Kostenstrukturen noch wird gefragt, welche Gewinne Novartis im Besonderen bzw. Pharmafirmen im Allgemeinen mit Gentherapien einfahren. Dass diese Medikamente Nutzen stiften, stellt niemand in Frage. Ob dieser Nutzen Pharmaunternehmen zu wahnsinnigem Reichtum verhelfen sollte, ist eine Frage, die nicht laut genug gestellt wird.

Dazu muss man wissen, dass die Pharmazeutische Industrie eine der finanzstärksten Branchen der Welt ist. Letztes Jahr kaufte der Riese Bristol-Myers Squibb das Konkurrenzunternehmen Celgene für ca. 74 Mrd. Dollar auf – das entsprach damals in etwa dem 9-fachen Börsenwert der deutschen Lufthansa, immerhin ein DAX-Konzern. Diese Industrie folgt knallhart den kapitalistischen Logiken, sitzt aber im Gegenzug zu anderen Branchen an einem neuralgischen Punkt der Gesellschaft – nämlich ihrer Gesundheit.

Natürlich haben viele Pharmaunternehmen sofort mit der Arbeit an einem Heilmittel oder einem Impfstoff gegen Covid19 angefangen. Denn sie wissen genau: Wer als erster ein wirksames Mittel aus seinen Laboren in die Welt trägt, verdient sich dumm und dämlich.  Wir müssen es stärker kritisch betrachten, ob eine so essenzielle Industrie wie die pharmazeutische nach kapitalistischen Strukturen funktionieren sollte. Denn die Kosten für die Produkte trägt in Ländern mit öffentlicher Gesundheitsvorsorge ohnehin die Allgemeinheit. Und wenn die Kosten sozialisiert werden, macht es vielleicht auch Sinn, die Produktion ebenso zu sozialisieren und sie damit von kapitalistischen Marktkalkülen zu entkoppeln.

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