Klimaschutz wird immer als globales Problem dargestellt. Natürlich ist es das auch. Allerdings neigt diese Sichtweise dazu, Menschen zu lähmen. „Ohne die Amerikaner*innen und Chines*innen können wir eh nix machen“, heißt es oft in Gesprächen über den Klimaschutz. Und das verschleiert die Sicht darauf, wie wichtig es ist, Umweltschutz auf kommunaler Ebene zu betreiben. Gerade in Städten ist umweltpolitische Verantwortung sogar elementar, denn in den großen Städten und Metropolen der Welt entstehen global betrachtet rund 80 Prozent der klimaschädlichen Emissionen. Hier gilt es also anzusetzen, um effektive Klimapolitik zu betreiben.
Wie sieht es damit nun in München aus? Die Landeshauptstadt hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2050 soll die Stadt klimaneutral werden. Das wird mit einem Ausstoß von 0,3 Tonnen CO2 pro Einwohner pro Jahr gleich gesetzt. Dieses ambitionierte Ziel geht über die Bundesvorgaben hinaus und war Ergebnis eines Berichts, den die Stadt im Jahr 2017 erhielt. Dieses Fachgutachten zeichnete drei Szenarien vor, die von unterschiedlichen Niveaus der Klimaschutzmaßnahmen ausgingen. München orientiert sich nun am ambitioniertesten Szenario, dem der Klimaneutralität. Das Fachgutachten riet der Stadt dazu, sich deutlich höhere Ziele zu stecken. Denn die bisherigen Ziele reichten nicht aus.
So viel zum theoretischen Status Quo in München. Wie sieht es technisch aus? In der Frage der Klimaneutralität der Stadt spielen die Stadtwerke München eine herausragende Rolle. Da diese der Stadt gehören, haben die Münchner*innen die örtliche Wende in der Klimapolitik zu einem großen Teil selbst in der Hand. Allein in der Münchner Region betreiben die SWM 14 Wasserkraftwerke, 1 Windkraftanlage, 6 Geothermieanlagen, 1 Biogasanlage sowie 1 Biomasse-Heizkraftwerk und 32 Photovoltaikanlagen. Zudem bezieht die Stadt Fernkälte aus der Region. Dieser Punkt wird auch immer wichtiger, da Klimaanlagen mehr und mehr zum Standard bei Neubauten werden. Darüber hinaus Ist die Stadt an dutzenden anderen ökologischen Energieanlagen in Deutschland und Europa beteiligt bzw. besitzt diese. Warum ist das wichtig? Nun, Energie, also Stromgewinnung, ist neben fossilen Brennstoffen der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen. Das Ziel der Stadtregierung ist es, durch die eigenen Kraftwerke und die Beteiligungen an anderen Green Energy Parks so viel Ökostrom ins europäische Netz einzuspeisen, dass pro Tag damit komplett München versorgt wird. München würde damit quasi eine ökologisch versorgte Stadt. Dieses Ziel hat man allerdings noch nicht erreicht, bislang reicht der Ökostrom nur für den ÖPNV und die privaten Haushalte, der Energiebedarf der Münchner Industrie wird noch nicht vollständig äquivalent durch Ökostrom gedeckt. 2025 soll es soweit sein, dann möchten die SWM den Energiebedarf ganz Münchens über eigene ökologische Anlagen in das Stromnetz einspeisen. Dieses Vorhaben wird unter anderem von der Landesregierung und der CSU erschwert. Mit der völlig gegen die Klimawirklichkeit gerichteten Abstandsregelung für Windräder spielt die CSU mal wieder den fossilen Energieträgern in die Hände und macht es engagierten Kommunen wie München unnötig schwer, ihre Klimaschutzziele zu erreichen.
Doch wie gesagt, Stromerzeugung ist für unsere Stadt nur der zweitgrößte Emittent von CO2. Der größte ist, wenig überraschend, der Verkehr. Auch hier spielen die SWM, oder vielmehr deren Tochter, die MVG, eine entscheidende Rolle. Ein Schritt in Richtung Verkehrswende ist mit der Stärkung des Umweltverbundes getan. Damit sind das Zusammenspiel von Fußgänger, Rad und ÖPNV gemeint. 2019 gab es schon eine Reihe von Beschlüssen zum Radwegeausbau im Münchner Stadtrat (z.B. Fraunhoferstr., Radschnellweg Münchner Norden, Altstadt-Radlring). Die kontroverse Debatte in der Öffentlichkeit zeigt, dass diese Maßnahmen erste Einschnitte für vor allem eine Zielgruppe bedeuten: Die Autofahrer*innen. Um eine echte Verkehrswende zu erreichen braucht es jedoch noch mehr. Denn klar ist, dass nicht jede*r mit dem Rad fahren kann und weite Strecken in der Regel auch nicht zu allen Jahreszeiten mit dem Rad zurückgelegt werden können. Für eine klimafreundliche, bezahlbare Mobilität für alle braucht es vor allem den ÖPNV als Rückgrat des städtischen Verkehrssystems. Dies zeigt auch die Studie Mobilität in Deutschland 2017: Der ÖPNV hat eine deutlich höhere Verkehrsleistung als das Rad und es werden mit ihm weitere Strecken zurückgelegt. Hier hat die Münchner Verkehrsgesellschaft schon gut vorgelegt: Der Münchner ÖPNV fährt bereits heute zu 80 % mit Ökostrom. Tram und U-Bahn fahren ohnehin rein elektrisch. Die Busflotte der MVG soll sukzessive auf Elektroantriebe umgestellt werden, um die volle Elektrifizierung schnellstmöglich zu erreichen. Doch für eine echte Verkehrswende braucht es beim ÖPNV-Ausbau einen echten Kraftakt, der bei der Neuaufteilung der Flächen in der Stadt beginnt, z.B. in Form von Busspuren, weiteren Betriebshöfen sowie Abstell- und Wendeflächen. Denn es bringt niemandem etwas, wenn der Elektrobus mit den PKW im Stau steht. Dazu bedarf es auch einer auskömmlichen Finanzierung, die nicht nur den massiven Ausbau, sondern auch die Sanierung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur berücksichtigt. Und er endet bei einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Tramwesttangente, die einen wichtigen Baustein bei der Verkehrsbewältigung im Münchner Westen darstellt und die Innenstadt entlasten soll, ist beispielsweise bereits in den 1990er Jahren im Gespräch gewesen. Fertiggestellt werden soll die Strecke nun Ende 2026. Hier wird deutlich, wie lange eine solches Projekt dauern kann.
Die Energiegewinnung durch ökologische Technologien sowie die Umstrukturierung des Verkehrs sind zwei der drei wichtigsten Punkte, die die Politik aus dem Fachgutachten gezogen hat. Der dritte Punkt ist die Energieeffizienz von Gebäuden und die Regulierung von Neubauten und Sanierungen. Für Neubauten müssen bereits heute Standards realisiert werden, die kompatibel zu einem klimaneutralen München sind. Ineffiziente Gebäude müssen saniert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Dazu bedarf es Anreizen und Unterstützung für die Gebäudeeigentümer. Und sollte das Zuckerbrot nicht helfen, muss es die Peitsche sein. Denn das erste Etappenziel ist die Reduzierung der Emissionen auf 3t CO2 pro Einwohner pro Jahr für das Jahr 2030. 2014 waren wir bei 5,3. Es ist also noch einiges zu tun. Und dafür braucht es das Engagement aller Bürger*innen unserer Stadt sowie den Willen unserer Politiker*innen, auf Worte endlich Taten folgen zu lassen und sich dem ambitionierten Ziel der Klimaneutralität zu widmen. Morgen reicht es nicht mehr. Es muss heute beginnen. Tragen wir also unserem Teil zur Ökobilanz der Welt bei.
Ein Beitrag von Stefan