Mit Worten die Welt verändern, zeigen, dass der Stift mächtiger ist als das Schwert, durch investigative Reportagen Skandale aufdecken und damit die Welt verbessern – vermutlich sind es Ideale wie diese, die viele junge Menschen von einer Karriere im Journalismus träumen lassen. Dies ist aber leider eine sehr verzerrte Wahrnehmung des Berufsbildes. Für viele Journalistin*innen folgt alsbald nach Karrierestart die Ernüchterung, häufig schon im Volontariat. Denn Journalismus bedeutet für viele gerade am Anfang: sehr viel Arbeit für verhältnismäßig wenig Geld.
Schon der Einstieg in den Beruf ist schwer: Einen Platz an einer der renommierten Journalist*innenschulen zu bekommen ist schwierig, die Aufnahmetests gelten als mit die schwersten im deutschen Hochschulbetrieb. Viele private Hochschulen bieten auch eine Ausbildung zum Medienschaffenden an, in München wäre dafür zum Beispiel die MacroMedia Hochschule zu nennen. An der MacroMedia kosten die meisten Studiengänge allerdings monatlich 895 Euro, das ist für viele aufstrebende Journalist*innen völlig illusorisch. Allein in der Ausbildung beziehungsweise dem Studium, dem allerersten Schritt auf dem Weg zum Traumberuf, befinden sich daher strukturelle und finanzielle Schranken, die den Beruf des Journalist*innen exklusiv machen.
Glücklicherweise ist dieser Beruf aber extrem quereinsteiger*innenfreundlich. Auch mit Ausbildung oder einem Studium in etwas völlig anderem kann man im Journalismus durchstarten. Klassischerweise ist nach dem Studium oder der Ausbildung der nächste Schritt das Volontariat. Auch hier sind die Plätze begehrt, allerdings bekommen die Nachwuchs-Journalist*innen normalerweise eine Vergütung für diese Berufsausbildung. Leider kann man nur normalerweise sagen, denn das Volontariat ist kein rechtlich exakt definierter Begriff und findet sich daher auch nicht im Mindestlohngesetz. Die Verlage und Unternehmen zahlen daher das Volontariat gemäß den Regeln der Ausbildungsvergütung und können das Gehalt selbst festlegen. Viele Unternehmen im Medienbetrieb haben sich aber Tarifen verpflichtet. Das Durchschnittsbruttogehalt von Volontären liegt in den meisten Bundesländern (Ausnahme Meckpomm, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg) über dem Mindestlohn und ist in Bayern mit ca. 2060 Euro am höchsten.
Journalistin*innen haben sicherlich einen äußerst vielseitigen und spannenden Beruf. Dennoch sollte man eines nicht vergessen: Die Seiten der Zeitungen und die Sendeminuten in Radio und Fernsehen müssen jeden Tag gefüllt werden, auch wenn mal nichts Spannendes passieren sollte. Auch wenn Redaktionen in der Themenwahl Freiheiten genießen, geliefert werden muss Tag für Tag. Von geregelten Arbeitszeiten können daher viele nur träumen, denn die Medien machen die Nachrichten ja nicht, sie berichten nur darüber. Also gilt es stets allzeit bereit zu sein. Gerade in gering besetzten Lokalredaktionen auf dem Land ist das die normale Folge. Es muss ja jemand bereitstehen, wenn beispielsweise nachts die Rettungskräfte ausrücken. Das erfordert ein hohes Engagement und auch eine gewisse Portion Idealismus.
Und hier enden auch die viel gelobten Ideale vom Anfang. Klar, man möchte die deutsche Demokratie mit meinem Lehrstück über den Zerfall der Konsensfähigkeit in unserer Diskussionskultur retten – erst mal müssen aber vier Absätze über den Jahresabschluss der freiwilligen Feuerwehr her, um die morgige Ausgabe zu füllen. Die investigative Enthüllungsreportrage verbirgt sich nämlich auch bei der Presse hinter jeder Menge routiniertem Tagwerk, dass es erst mal abzuleisten gilt. Für den spannenden Sensationsreport, der die Welt rettet, bleibt da erst mal kein Platz. Oder es fehlt am Budget, denn ein Mitglied der Redaktion einen ganzen Tag lang nur recherchieren zu lassen ohne dass es Texte liefert kostet eine Menge Geld!
Nun hat ein*e Journalist*in ja die Möglichkeit, sich vom Redaktionszwang unabhängig zu machen und als freie*r Journalist*in zu arbeiten. Tatsächlich ist das für viele in der Branche nach dem Volontariat der Start in den Job, denn feste Stellen sind rar. Sehr rar. Als freie*r Journalist*in kann man natürlich seine Themen selbst aussuchen – vermeintlich. Denn dann braucht man natürlich eine*n Auftraggeber*in, oder besser gleich mehrere. Ohne „Sponsoren“ trägt die „Freie“ ihre Kosten nämlich selbst. Und von den Honoraren muss man sich noch selbstständig versichern und fürs Alter vorsorgen, Steuern zahlen sowie für die Arbeitsmittel selbst aufkommen. Das macht ca. zwei Drittel des Einkommens aus. So bleibt im Mittel für freie Journalist*innen nur ein Netto von gerade mal 1.200 Euro monatlich – viel Spaß, damit in München über die Runden zu kommen.
Der freie Journalismus ist schmählich unterbezahlt, sehr gut ausgebildete Personen arbeiten de facto im Niedriglohnsektor. Die erhoffte Freiheit kommt zum teuren Preis, häufig arbeiten freie Journalist*innen nebenbei noch als Werbetexter*innen, Communication specialists in Konzernen oder übernehmen ähnliche Aufgaben, um über die Runden zu kommen. Damit bleibt natürlich nur noch eingeschränkt Zeit, um sich den hehren Enthüllungsberichten zu widmen. Hervorragende Artikel sind aber unabdingbar, um sich in der Branche einen Namen zu machen und vielleicht doch eine heiß begehrte Festanstellung zu ergattern.
Wie konnte es dazu kommen? Die Ideale des Journalismus wurden auf dem Altar des Kapitalismus geopfert. Die Qualität und die Seriosität vieler namhafter Blätter und Medien in Deutschland haben Einbußen erlitten. Seit Jahrzehnten schon kämpfen insbesondere die Printmedien gegen Leser*innen- und Abonnent*innenschwund an. Der Wettbewerb durch Onlinemedien hat nicht nur zu einer Boulevardisierung der Berichterstattung geführt, sondern auch Sparzwänge eingeleitet. Dies trifft bei den Medien insbesondere das Personal und führt damit zum Abbau von Festanstellungen. Aufgefangen wird das wiederum von den „Freien“, die nur auf Honorarbasis bezahlt werden. Und noch kommen sie damit durch, bis vor wenigen Jahren war Journalismus noch ein enorm gefragter Berufswunsch, insbesondere unter Studierenden. Doch das hat bereits nachgelassen. Gut möglich, dass sich bei den derzeitigen Bedingungen ein Trend verfestigen wird.
Qualitativ hochwertiger Journalismus ist von essenzieller Bedeutung in Demokratien. Nicht umsonst spricht man von der „vierten Gewalt“. Deren Aufgabe ist die Kontrolle der anderen drei Gewalten und die Information der Öffentlichkeit, also der Wähler*innen. Journalismus sorgt für Transparenz, Journalismus klärt Missstände auf, setzt Themen auf die Tagesordnung, setzt die Regierung und die Gesetzgeber unter Druck, Mängel im System zu beheben. Und zwar häufig wirkungsvoller, als es aus dem System heraus selbst geschieht. Medien bieten jedem*jeder Bürger*in eine Chance, sich mit Ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen. Die Zeitungen, Talkshows und Radiosendungen sind für unsere modernen Demokratien das, was in den antiken Stadtrepubliken das Forum war: Der Ort öffentlicher Debatte. Um diese Funktion angemessen zu erfüllen, braucht es fähige Leute in den Redaktionen und am Mikrofon. Und diese Leute verdienen es, angemessen bezahlt zu werden und auch eine gewisse Sicherheit im Leben zu haben. Seriöser Journalismus sollte uns allen das wert sein.
Ein Beitrag von Stefan