„Eine gute Konstitution, Spaß an harter Arbeit, eine große Portion Humor und viel Gelassenheit.“ Laut der offiziellen Website zur Wiesn oktoberfest.de sind das die grundsätzlichen Voraussetzungen, die man für einen Job auf der Wiesn mitbringen sollte. Sie machen keinen Hehl daraus, dass das Arbeiten auf der Wiesn hart sein kann, und da macht sich wahrscheinlich auch niemand Illusionen: Beim größten Volksfest der Welt in welcher Rolle auch immer zu arbeiten bedeutet Stress, Lärm und Anstrengung.
An vorderster Front stehen hier natürlich die Servicekräfte, die Kellner*innen und das Personal in den Zelten. Gerade für die Bedienungen ist es die Wiesn eine große Chance auf schnelles Geld, so heißt es immer. Aber wie viel verdienen Bedienungen bei der Wiesn tatsächlich? Nun, das ist gar nicht so leicht zu sagen und kann nur als Schätzung angegeben werden mit großem Spielraum. Demnach bewegt sich der Verdienst bei ca. 6.000 bis 14.000 Euro brutto, für eine komplette Wiesn. Allerdings muss man das natürlich auf die eingesetzte Arbeitszeit runter rechnen. Wie sieht die bei Wiesnbedienungen aus? Die Zelte öffnen um 09:00 und schließen um 23:00 Uhr. 14 Stunden täglich besteht der Betrieb. Nun gibt es allerdings kein Schichtsystem, das heißt, die meisten Servicekräfte sind den kompletten Zeitraum im Einsatz, auch wenn sie über den Tag verteilt Pausenzeiten von bis zu vier Stunden in Anspruch nehmen. Das macht allerdings noch immer mehr als zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag aus, also deutlich mehr als Durchschnittsarbeitnehmer*innen in Deutschland. Und das über den gesamten Zeitraum des Oktoberfestes, dieses Jahr sind das 16 Tage am Stück.
Kellner*innen auf der Wiesn verdienen keinen Stundenlohn, auch keinen Tagessatz oder ein festes Honorar für eine fest vereinbarte Zahl von Arbeitstagen. Sie sind nicht bei den Wirt*innen angestellt. Die Servicekräfte sind freiberuflich tätig. Ihr Einkommen errechnet sich aus der Differenz des Einkaufspreises der Getränke und Speisen und des Verkaufspreises an die Gäste (Die Schankkellner*innen bekommen allerdings eine Pauschale). Dazu kommt natürlich noch das Trinkgeld, das immerhin ein Viertel bis ein Drittel des Einkommens ausmacht. Interessanterweise bedeutet das, dass die Maß und das Hendl in dem Moment, in dem sie am Tisch serviert werden, gar nicht mehr Eigentum des Wiesnzeltes sind, sondern dem*der Kellner*in gehören. Die Bedienung geht dafür im Übrigen in Vorleistung und trägt somit das Risiko für etwaige Stornierungen oder dergleichen. Die Einkaufs- und Verkaufspreise gibt der*die Wirt*in vor, Verhandlungsgeschick bringt dem Servicepersonal also nur bedingt etwas. Zusätzlich zahlen die Bedienungen auch die Gedecke für ihre Tische: In den Festzelten schaut es also nur deshalb so hübsch hergerichtet aus, weil die Kellner*innen dafür zahlen.
Die Kellner*innen arbeiten stets in Teams, tatsächlich ist es sehr schwierig bis unmöglich sich als einzelne Servicekraft bei der Wiesn zu bewerben. Am besten ist man bereits ein eingespieltes Team von zwei bis sechs Leuten. Ein solches Team bekommt Tische zugeteilt, doch in manchen Zelten hat in den vergangenen Jahren die Zahl der Tische pro Servicekraft abgenommen von vier auf drei. Das mag den Service für die Gäste verbessern, verringert aber das Einkommen der Kellner*innen. Neben der Zahl der Tische ist der Standort derselbigen für den Verdienst das Entscheidendste. Am profitabelsten sind die Tische im Schiff, also in der Mitte des Zeltes nahe bei der Musik. Boxen sind natürlich auch gut, hängen aber stark von den Gästen ab. Am schlechtesten sind die Terrassenplätze draußen. Bereits innerhalb des Zeltes legt das Personal mehr als zehn Kilometer am Tag zurück, draußen an der Terrasse ist es ein gutes Stück mehr. Und bei schlechtem Wetter läuft das Geschäft natürlich bescheiden.
Neben den körperlichen Anstrengungen gilt es aber auch den rauen Ton auszuhalten. Bei so viel Betrieb und der lauten Atmosphäre herrscht natürlich ein enormer Stresspegel, für Höflichkeiten und Wertschätzung bleibt da nicht immer Zeit. Das ist insbesondere dann schwierig, wenn es in der Lieferkette im Fest Schwierigkeiten gibt, für die die Kellner*innen nichts können, aber die Folgen ausbaden müssen. Zum Beispiel, wenn das Hendl beim Gast kalt ankommt, die Küche aber gerade nicht hinterherkommt, da sie an Bestellungen ersäuft. Dann liegen die Nerven blank, da heißt es durchbeißen und weiter machen.
Dennoch herrscht beim Servicepersonal eine einzigartige Stimmung. Die Atmosphäre beim größten Volksfest der Welt, der Teamgeist unter den Kolleg*innen, die Stammgäste und nicht zuletzt die trotz allem gute Bezahlung sorgt dafür, dass für viele die Wiesn ein regelmäßiges Ereignis wird, über viele Jahre hinweg. Die Gemeinschaft schweißt zusammen. Nach Abschluss der Festzelte gehen die Wiesnleute auch noch gemeinsam feiern. An Ihrem speziellen Treffpunkt sind Oktoberfestgäste nicht erwünscht – dort möchten sie unter sich bleiben und den Tag Revue passieren lassen. Um die Faszination und auch den ganzen Irrsinn dieses Festes zu begreifen, muss man wohl darin arbeiten.
Ein Beitrag von Stefan