Endstation Rechts

Endstation Rechts wurde in Mecklenburg-Vorpommern von der SPD und den Jusos gegründet. Anlass war der Einzug der NPD in den dortigen Landtag. Daraus hat sich ein journalistisches Projekt entwickelt. Viele kennen vielleicht die Marke Storch Heinar, die eng mit der Initiative zusammenhängt. Die BayernSPD hat sich damals auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen dem CSU-geführten Innenministerium und der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations-, und Archivstelle München (a.i.d.a.), entschieden, verstärkt über die extreme Rechte im Freistaat zu informieren. In der Auseinandersetzung ging es auch um die Deutungshoheit zwischen Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft. Ein Stichwort ist hier die Extremismustheorie.

Meine persönliche Motivation? Ich war früher extrem unzufrieden damit, wie in klassischen Medien über extrem rechte Demonstrationen und Gegendemonstrationen berichtet wurde. Es waren im Grunde Kopien der Pressemitteilungen der Polizei und entsprechend waren auch die Artikel. Die Einsatzleitung war immer froh, beiden Seiten zu „ihrem Versammlungsrecht“ verholfen und getrennt zu haben, auch wenn die Neonazis mal Absperrungen durchbrachen und randalierend durch Straßen zogen. Zwischen den Zeilen waren antifaschistische Gegendemonstrant*innen das eigentliche Problem. Eine Sichtweise, wie sie z.B. das Buch „Heimatschutz“, die Einstellung für Michele Kieswetters Polizeieinheit beschreibt, trotz aller Einsätze in anderen Milieus.

Heute nehme ich weite Wege auf mich, um nah dran zu sein ander Szene und sie so zu dokumentieren, wie sie sich aktuell gibt, was sie für Zeichen und Marken trägt und wie sie versucht, ihre Ideologie an die Leute zu bringen. Symbolbilder mit Springerstiefeln gibt es bei uns nur, wenn sie auch vor Ort getragen wurden.Für Endstation Rechts.(Bayern) war ich schon in Dortmund, wenn dort die Partei Die Rechte in ihrem „Nazi-Kiez“ aufmarschiert oder die Szene zum Gedenkmarsch für Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess nach Berlin mobilisiert.

Ich habe Fotos gemacht bei denRechtsrock-Konzerten in Themar (Thüringen) und zuletzt in Ostritz (Ostsachsen). Für einen Fackelmarsch der Identitären Bewegung bin ich nach Wien gefahren. Zusammen mit einem Kollegen war ich beim Bundesverfassungsgericht für die mündliche Verhandlung des NPD-Verbots offiziell als Medienvertreter akkreditiert. Mein Schwerpunkt ist Bayern und Süddeutschland.

Seit 2012 reise ich bayerischen Neonazis am1.Maizu deren Kundgebungen hinterher.

Erfolge? EndstationRechts.Bayern lieferte damals den entscheidenden Hinweis, die WG dreier Neonazis in Obermenzing relativ schnell nach deren Einzug aufzuspüren, damit die Zivilgesellschaft umgehend darauf reagieren konnte. Die Medien tauften das Anwesen, in dem angeklagte NSU-Unterstützer zeitweise übernachteten und kleine Rechtsrock-Konzerte im Keller stattfanden, das „braune Haus von Obermenzing“. Ansonsten bieten unsere Dokumentationen unseren Landtagsabgeordneten immer wieder Hinweise für Anfragen an die Staatsregierung, etwa zum Nichteinschreiten der Polizei bei offenkundigen Straftaten. Wir hören und schauen im Gegensatz zu manchen Einsatzleitern genauer hin. So wurde der bekannte Neonazi Philipp Hasselbach in einer Auflage zu einer Geldspende an eine jüdische Institution verurteilt, weil er eine volksverhetzende Rede abspielte bei einer Kundgebung „Freiheit für Horst Mahler“.

Trauriger Höhepunkt war sicherlich das Nichteinschreiten der Polizei bei einer Demonstration für inhaftierte Holocaustleugner in Nürnberg. Hier konnte ein Redner auf der Bühne den Hitler-Gruß zeigen, eine Frau leugnete zwei Mal die Shoah und ein dritter lobte Mein Kampf über den grünen Klee. Alles unter dem großen Applaus der Teilnehmer*innen. Aufgelöst wurde die Versammlung nicht.

Es nagt gewaltig an meinem Gerechtigkeitsempfinden, wenn ich sehe, wie rabiat sich Polizistinnen und Polizisten auf junge Demokratinnen und Demokraten stürzen können, die auf der Route von Neonazis oder Pegida eine Blockade versuchen und dann in Nürnberg nichts unternehmen. Die strafrechtliche Aufarbeitung steht hier noch aus.

Wir sind in den sozialen Netzwerken Facebook, Twitter, Instagram und YouTube vertreten. Von uns kommt auch die „Eule“ zum Überkleben extrem rechter Sticker sowie einige andere Motive, alles Marke Eigenbau. Auf Flickr habe ich mittlerweile über 7.000 Fotos veröffentlicht, die allermeisten drehen sich um Neonazi-Aufmärsche, Shirts und Symbolbilder.

Zu der langen Beschäftigung mit der Szene gehört auch der Aspekt, dass ich einige extrem rechte Kader habe aufwachsen sehen. Einige verliert man aus den Augen, andere tauchen nach einiger Zeit wieder auf und versuchen sich bürgerlich zu geben. Hier zahlt sich die lange Kontinuität unserer Arbeit aus, auch wenn wir hier noch lange nicht an a.i.d.a heranreichen. Besonders freue ich mich, wenn ich über EXIT mitbekomme, dass Personen über die Aussteiger*innenhilfe ihren Weg aus der Szene gefunden haben, die ich selber schon als Rednerinnen oder Redner erlebt habe. Das sind schon einige.

Insgesamt ist die Beobachtung komplexer geworden und nur im Verbund mit anderen halbwegs zu bewältigen. In unseren Anfängen reichte, grob gesagt, ein Blick auf die NPD und die relevanten neonazistischen Kameradschaften. Heute hätten viele und ich auch, die „Probleme“ von damals zurück, als der Streit hauptsächlich darum ging, ob ein NPD-Verbot eine gute oder schlechte Sache sei. Ich war und bin hier immer noch Gegner eines solchen.Heute gibt es geschlossene Gruppen in den Sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten, in denen sich ohnehin durch die AfD und Pegida rechts politisierte Menschen noch weiter radikalisieren. Es geht fast nichts mehr ohne Fake-Accounts und andere Tricks, um mitzubekommen, wer wann was unternimmt, welche Entwicklungen es gibt oder einfach hinter die Fassade eines vermeintlich gemäßigten Auftretens zu blicken.

So konnten wirgemeinsam mit den Aktivisten der „Erdlinge“ Fotos veröffentlichen, die zwei (ehemalige) AfDler beim Hitlergruß zeigten. Einer davon war zum damaligen Zeitpunkt Kandidat zum Bezirkstag. Längst vernetzen sich Neonazis, Rechtsextreme mit Personen, die nach außen ein bürgerlich-konservatives Image pflegen. An der Basis spielt das, was die AfD als Unvereinbarkeitsliste nach außen trägt, schon längst keine Rolle mehr und ist de facto aufgehoben.

Nicht erst seit gestern nimmt die Bedeutung von Organisationen ab. Das Bild, das die Sicherheitsbehörden da so vor Augen hatten, war der Skinhead, der hört ein wenig Rechtsrock, lässt sich dann von einem Redner bei mehreren Partei-oder Kameradschaftsabenden aufhetzen, zieht sich danach noch ein paar Stücke härtere Musik rein und plant dann, Leute zusammenzuschlagen oder ein Haus anzuzünden. So jemanden konnten die Behörden im Blick behalten und hofften, eine V-Person würde das schon melden, wenn die Absichten konkreter würden. Keine Ahnung, ob das prototypisch je so galt. Heute ist jede Stufe an Radikalisierung bis hin zu terroristischen Handlungen möglich, völlig ohne Kontakt zu Organisationen im klassischen Sinn. Wir hatten hier in München mit David Sonboly das eindrücklichste Beispiel. Er hat aus seinem Kinderzimmer heraus den Entschluss gefasst und alles für sein Attentat am OEZ organisiert.An Sonboly zeigt sich auch, wie falsch es ist, von „Ausländerfeindlichkeit“ statt Rassismus zu reden. Immer wieder war zu hören, wie konnte er mit Migrationshintergrund nur auf andere „Ausländer“ schießen? Klar trifft rechte Gewalt auch Personen ohne deutschen Pass, aber den Täter, die Täterin interessiert der Pass nicht. Er hat seine Einteilung der Welt anhand unveränderlicher, rassistischer Kriterien und die will er oder sie durchsetzen. Der Täter wünscht sich, dass gewisse Personen nie als Deutsche und immer als Ausländer angesehen werden sollen und höchstens noch so lange im Land geduldet werden, wie sie „nützen“. Und in Sonbolys Vorstellung einer deutschen Gesellschaft gehörten Personen, die dem äußeren nach Wurzeln in der Türkei und dem Balkan hatten, nicht dazu.

Ich habe mal den Satz gelesen, Rechtsextremismus sei keine Ideologie, um Menschen zu überzeugen, sondern, um sie zu organisieren. Ich weiß noch immer nicht so recht, was ich insgesamt von dem Ausspruch halten soll. Er erinnert mich daran, dass Rassist*innen, weil sie Rassist*innen sind, schon wissen, wen sie aus der Gesellschaft, notfalls mit Gewalt, vertreiben wollen. Es braucht nie Organisationen und Kader, um Ziele zu benennen.

Exkurs: So schwarz/weiß ist die Welt ja nicht und so wechselt ja immer wieder, wie die extrem rechte Szene etwa zu Russlanddeutschen steht.

Das bedeutet, die Sicherheitsbehörden müssen dorthin, wo die Ideologien verbreitet werden, wo die Narrative erdacht werden, um zu sehen, wer sich radikalisiert. Das heißt auch weg von der Fixierung auf Organisationen. Deshalb standen die „Reichsbürger“ bei unserem Abgeordneten Florian Ritter schon früh im Fokus, lange vor den Schüssen auf den Polizisten in Mittelfranken.Und die sind ja alles andere als eine einheitliche Bewegung. Was sie teilen und gefährlich macht, sind ihre Narrative.

Deshalb sind auch Bewegungen wie Prepper in den Fokus, aber nicht unter Generalverdacht geraten. Wer preppt, der kann das auch aus einer rechtsextremistischen Motivation heraustun.Malabgesehen davon, dass es auch noch Doomer gibt, sich aus klarer völkischer Denkweise einen Zusammenbruch des Staates wünschen, den Tag X, um mit all den „unerwünschten Elementen“ aufzuräumen. Insgesamt müssen die Sicherheitsbehörden hier viel stärker hinschauen, so sich rassistische und völkische Einstellungen in bestimmten Verhaltensweisenäußern. Früher mag das die Teilnahme an Veranstaltungen der Kameradschaft X oder der Partei Y gewesen sein. Aber das ist lange vorbei.

Ein Gastbeitrag von Endstation Rechts