Anna Tanzer über Frauen und Macht

Liebe Genoss*innen, liebe Leser*innen, 

mein Thema für diesen Beitrag lautet Frauen und Macht, und ich habe lang darüber nachgedacht, was ich hier an dieser Stelle darüber schreiben kann. 

Carmen, die Mitglied eures Unterbezirks und ebenso Mitglied im Juso Landesvorstand ist, hat bei der Frauenkonferenz der Jusos Bayern einen spannenden Workshop über die gläserne Klippe gehalten – diese, oder auch die Frauenquote, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik, sind vielleicht die Themen, die als erstes ins Gedächtnis kommen, wenn über Frauen und Macht nachgedacht wird. 

Aber ich will heute über etwas anderes schreiben – über meine eigenen Erfahrungen. 

Seit April diesen Jahres bin ich Vorsitzende der Jusos Bayern. Das heißt, ich bin die Vorsitzende von etwas mehr als 7.500 Menschen. 

Man könnte meinen, ich wollte das noch mehr, als meine Vorgänger*innen bzw. habe mir einen unbequemeren Weg dorthin ausgesucht. Und bis zu einem gewissen Grad stimmt das sicherlich, es hätte einfachere Wege gegeben, irgendwann vielleicht mal Vorsitzende dieses großartigen Verbandes zu werden. 

Ich bin Vorsitzende geworden und ich liebe meine Aufgabe. Es ist unglaublich vielfältig, abwechslungsreich, interessant, aber auch manchmal anstrengend. 

Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Problem habe, mir meinen Platz zu erkämpfen und zu prägen. Ich bin nicht auf den Mund gefallen, weiß aber, im Gegensatz zu vielen anderen Genossen (!), wann es sinnvoll ist, zu schweigen oder etwas kompromissfähiger zu formulieren, um alle mitzunehmen. 

Aber ich finde, es ist wichtig, so fair und ehrlich zu sein und zu sagen, dass, in dieses Amt rein zu finden, kein Zuckerschlecken war. 

Ich musste mich den stärksten Kritiker*innen beweisen. Letztlich gehörte ich selbst auch dazu. 

Als ich als Vorsitzende kandidiert habe, befand ich mich mitten in der Ausbildung. Ich habe eine Ausbildung als Buchhändlerin gemacht. Der Einzelhandel hat mich dazu gezwungen, acht bis zehn Stunden täglich nicht erreichbar zu sein, keine Wochenenden zu haben und wenig Termine unter der Woche wahrnehmen zu können. Das war einer der Punkte, die als stärkster Vorbehalt meiner Person vorgebracht wurden. Nachdem ich Vorsitzende geworden bin, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, alle Genoss*innen davon zu überzeugen, dass es geht. Ich habe jeden Termin angenommen und bin zu jeder Veranstaltung durch ganz Bayern gefahren, zu der ich eingeladen wurde (eine hab ich aufgrund von Krankheit ausfallen lassen müssen – das war das Annafest in Forchheim, da hatte ich mich aufgrund des Namens schon tierisch drauf gefreut!) 

Letztlich habe ich, aus anderen Gründen, meinen Job gekündigt und bin jetzt mitten im Studium in Würzburg. Für mich ist es super einfach, Termine wahrzunehmen und mal eben nach München, Landshut oder Nürnberg zu fahren, ohne es irgendwie arbeitstechnisch abzusprechen. Natürlich ist es einfacher, aktiv zu sein, wenn man studiert oder sich in keinem Arbeitsverhältnis befindet. Aber ich möchte an dieser Stelle dafür sensibilisieren, wie anstrengend es für arbeitende Menschen in unserem Verband ist, insbesondere für arbeitende Frauen, die trotzdem zeigen möchten und müssen, dass sie es drauf haben, obwohl sie nicht jedes Wochenende bei einer Veranstaltung dabei sein können, weil sie auf Lohnarbeit angewiesen sind. 
Manchmal habe ich mich an dieser Stelle auch gefragt, ob dieses Argument bei der Kandidatur eines Mannes auch entgegengesetzt worden wäre. Und, ob wir aus unserer Geschichte als Arbeiter*innenjugendbewegung heraus die Frage nicht anders formulieren sollten: Wie können wir dich als Vorsitzende, als arbeitende Frau, noch mehr unterstützen, wenn du zugleich arbeitest? 

Wir sind ein feministischer Richtungsverband und ich glaube, unsere aktiven Mitglieder sind insgesamt schon weiter als große Teile innerhalb der Gesellschaft. Und das ist gut so.
Aber wir sind auch bei den Jusos längst noch nicht auf der Stufe, sagen zu können, dass es gegen Frauen weniger Vorbehalte gäbe als gegen Männer, dass sie sich nicht noch mehr beweisen müssen oder dass wir frei sind von jedwedem Sexismus. 
Wir versuchen strukturell den Frauen den Weg zu vereinfachen, aber es hat längst noch nicht funktioniert – auch nicht in unseren eigenen Reihen. Es ist immer noch ein Kampf, sich den eigenen Platz zu erstreiten – egal, ob wir in Machtpositionen sind oder nicht. 

Inzwischen habe ich mir meinen Platz erkämpft. Ich habe ihn auf jeder Ebene, auf der ich aufgrund meines Amts unterwegs bin, erkämpft. Und es war doch schwierig. Denn ich bin nicht nur eine Frau, sondern ich bin auch erst 22 und wer mich kennt, weiß, dass ich in inhaltlichen Fragen hart bin – aber ansonsten nie eine Distanz wahre zwischen meiner Funktion und meinen Mitgliedern. Dass ich warm bin und mit offenen Armen auf alle Jusos und Genoss*innen zugehe, die ich treffe. Was mir oft als Schwäche ausgelegt wird, halte ich für eine meiner größten Stärken und glaube auch, dass das diesem Verband gut tut. 

Ich glaube, dass jede Frau diesen Beitrag hier anders schreiben würde. Ich weiß, was ich mir innerparteilich und auch außerparteilich in Bündnissen erkämpfen musste und habe das mit Sicherheit auf eine andere Weise getan, als das andere machen würden. Für uns Frauen ist es schwer und das wird es auch in naher Zukunft zumindest bleiben. Es gibt abertausende Beispiele dafür, wie junge Frauen, gerade in der SPD, abgestraft werden und wie schwierig es ist, an Machtpositionen zu kommen. Aber eine Sache, die in einem Beitrag über Frauen und Macht wichtig ist, möchte ich an dieser Stelle verlieren und damit meinen Beitrag enden lassen. Liebe Frauen: bildet Banden! Eine Empowerment-Struktur ist das einzige Sicherheitsnetz, dass euch im Zweifel auffängt. 

Ein Beitrag von Anna Tanzer