Florian Ritter über die IB

Du warst 2014 der Erste ( zusammen mit Christoph Rabenstein), der eine Anfrage im Bayerischen Landtag zur Identitären Bewegung gestellt hat. Steckte da die Bewegung in Deutschland/Bayern nicht noch in den Kinderschuhen?

In Frankreich war die IB zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon eine Bewegung, die erfolgreich für ihre Aktionen mobilisieren konnte. Dieser Erfolg hat in der rechten Szene in Deutschland eine Debatte angestoßen, wie man die Bewegung kopieren könnte. Zum Zeitpunkt der Anfrage hatten wir noch wenig Informationen über tatsächlich existierenden Gruppen in Bayern, allerdings wurden in den sozialen Netzwerken massenhaft regionale Gruppen unter der Bezeichnung „identitäre Bewegung“ gegründet. Nicht selten waren die Admins oder die ersten Mitglieder Leute, die uns aus der Naziszene und anderen rechtsradikalen Zusammenhängen bekannt waren. Der Sache wollten wir näher auf den Grund gehen. 

Gestartet mit einer Facebookgruppe, aber inzwischen sehr real auch auf der Straße angekommen. Was tut die IB um Mitglieder zu generieren?

Die IB kopiert recht erfolgreich Strategien, die wir auch aus den neuen sozialen und ökologischen Bewegungen kennen. In der Form sind das ungewöhnliche Aktionen, ziviler Ungehorsam, ein am Zeitgeist orientiertes Auftreten, das fast schon an manche Spontis der 80er erinnert. Gleichzeitig wird stark an die Migrationsdebatte und die materiellen und kulturellen Verlustängste in Teilen der Bevölkerung angeknüpft. Die IB bemüht sich dabei sehr, optisch keinen direkten Bezug zu klassischen Neonazis herzustellen. Das ist auch ein Teil des Erfolgs.

Erst bei der letzten Großdemo in München gab es eine “false flag” Aktion. Ist das eine typische Aktion? Und wie arbeitet die Bewegung normalerweise?

Wenn wir über typische Aktionen der IB reden, geht es nicht nur um die Form. Diese False Flag Aktion erfüllen aber alle Kriterien für erfolgreiche IB Kampagne. Alle Aktionen der IB sind darauf ausgerichtet, sie anschließend möglichst wirksam in den sozialen Netzwerken zu vermarkten. Klassische Neonazis hätten sich an den Rand der Demo gestellt, deutlich erkennbar und hätten provoziert. Damit hätten sie sofort die ganze Demonstration gegen sich gehabt. Die IB ist in diesem Fall – offenbar unbemerkt – mitgeschwommen, es wurde dokumentiert, das sich da kein Widerspruch ergeben hat und selbst Solidaritätsbekundungen (unabhängig davon ob sie nun echt oder ein Fake war) wurde dokumentiert. Das ist für die IB optimal gelaufen.

Wenn man nach den Namen geht…haben die Menschen von der IB “Angst ihre Identität zu verlieren?” oder “Wollen Sie eine neue schaffen?“

Die IB ist keine Bürgerinitiative verunsicherter Nachbarn, sie knüpft zwar an Ängste an, aber eigene Angst ist nicht die Motivation. Die IB ist ein politisches Kampfinstrument. Das Ziel ist es Deutungshoheit in der politischen Debatte zu bekommen. Insbesondere darüber, was eine zulässige, legitime Identität ist und was nicht. In der Konsequenz wollen sie die Deutungshoheit darüber, wer einen Platz in unserer Gesellschaft hat und wer nicht. Und für die IB ist klar: eine zulässige Identität ist ausschließlich eine nationalistische Identität. Der oft genutzte Begriff „Heimat“ dient da nur der Verschleierung.

Im Zusammenhang mit der IB wird häufiger auch über “Rassismus ohne Rassen” gesprochen. Warum?

Klassische Rassist*innen machen Unterschiede zwischen Menschen und Menschengruppen vor allem an unveränderlichen äußeren Merkmalen wie z.B. der Hautfarbe fest. In der IB wird vor allem mit kulturellen Unterscheiden argumentiert. Menschen unterschiedlicher Herkunft hätten unterschiedliche Kulturen und deshalb sind unüberbrückbare Konflikte im Zusammenleben programmiert. Die kulturelle Argumentation ist ein weiterer Versuch sich von klassischen Nazis abzugrenzen. Trotzdem ist das mit Rassismus zu vergleichen: erstens tut man so, als ob alle Menschen mit der gleichen räumlichen Herkunft die selbe Kultur hätten. Das ist natürlich grundfalsch. Kulturelle Ausdrucksformen sind ausgesprochen vielfältig. Räumliche Herkunft, Geschlecht, Gender, sozialer Status, persönliches Umfeld, Familiengeschichte, Weltanschauung prägen gemeinsam eine höchst individuelle Identität von Menschen. Zweitens wird so getan, als ob diese “kulturelle Einheitsidentität“ unveränderlich in uns eingebrannt wäre, eben genau wie klassische Rassist*innen mit genetischen argumentieren.

Identität scheint ein Modewort unter den Rechten zu sein. Was ist dir über die Vernetzung innerhalb der rechten Szene bekannt? Arbeiten IB, JA und Burschenschaften eng zusammen? Und wie ist der Kontakt mit der AFD?

Wir stellen immer wieder fest, dass es Kontakte und personelle Verbindungen zwischen den unterschiedlichsten rechtsradikalen Gruppen gibt. Also auch zwischen IB, JA und auch rechten Burschenschaften. Es gibt natürlich auch Leute, die dort überall ein und aus gehen. darunter auch Funktionäre der AfD. Man teilt das selbe Weltbild und hat Ähnliche Ziele. Derzeit existiert unseres Wissens aber kein institutioneller Kontakt.

Gerade in München gibt es viele Burschenschaften. Weißt du, ob auch hier Verbindungen bestehen?

Es gibt eine Reihe von Berichten, die zumindest bei der „Danubia“ solche Kontakte festgestellt haben.

Die IB ist eine Jugendbewegung. Was unterscheidet sie von der JA und anderen Gruppen?

Die JA ist natürlich erst die Jugendorganisation in der AfD. Auch wenn in der gesamten rechtsradikalen Szene große Hoffnungen in die AfD gesetzt werden, bindet sich die IB nicht. Sie versteht sich eher als Sammlungsbewegung aller rechtsradikalen Kräfte, insbesondere für junge Leute.

Ist die IB gewalttätig?

Vor einem Jahr hat das Bundesinnenministerium innerhalb von eineinhalb Jahren über 100 Straftaten gezählt, die auf das Konto der IB gingen. Das waren vor allem Vandalismus und Sachbeschädigung, aber auch Delikte wie Nötigung, Körperverletzung, Volksverhetzung und Land- und Hausfriedensbruch. Ja, in der IB gibt es auch eine Bereitschaft zu gewalttätigen Aktionen. Aber sie ist mit Ihrer ganzen Ideologie natürlich auch Impulsgeber für andere. Rechtsradikale Ideologie ist niemals gewaltfrei. Gewalt ist der Kern rechtsradikaler Weltanschauungen.

Deine Anfrage im Landtag wurde damals ja auch beantwortet. Man ging eher von einer viralen Bewegung aus und es schien, als würde die IB nicht als sonderlich gefährlich eingestuft. Hat sich das fünf Jahre später geändert?

Seit 2016 beobachtet der Bayerische Verfassungsschutz die IB. Das ist schon ein Erfolg. Allerdings haben wir immer wieder Probleme, wenn in der rechtsextremen Szene Bewegungen entstehen, die nicht den klassischen Vorstellungen von Organisationen entsprechen. Da tut sich die Staatsregierung regelmäßig schwer mit einer realistischen Einschätzung. Bei den „Reichsbürgern“ war es ähnlich.

Bist du persönlich dafür, rechte Bewegungen und Organisationen zu verbieten?

Mit Verboten alleine lösen wir nicht das Problem des Zuspruchs, den rechtsradikale Organisationen und Parteien derzeit haben. Wir brauchen schon mehr als Verbote. Aber manchmal kann es gelingen, mit einem Verbot Organisationsstrukturen nachhaltig zu schwächen. Ich finde daher schon, dass auch mal Verbote notwendig sind. Zum Beispiel wären Combat18 und der “dritte Weg“ schon längst ein Fall für ein Verbot.

Ein Interview, geführt von Carmen