Dieter Reiter

Egal wo man auf der Welt hinkommt, die Menschen kennen das Oktoberfest. Was glaubst du woran das liegt?

An einer sehr langen Tradition, schließlich feiern wir dieses Jahr das 186. Oktoberfest. Die große Beliebtheit liegt auch an der Location – München hat einfach viel zu bieten, nicht nur Sehenswürdigkeiten, sondern auch Parks, die Isar, Kultur und Sport. Und es liegt natürlich auch an unserer Art zu feiern – dem Münchner Bier, der Musik und Stimmung. Wer im Ausland schon mal auf einem Oktoberfest war, weiß, wovon ich spreche. Es gibt zahlreiche Kopien, gar keine schlechten, aber eben nur ein Original. 

Als Oberbürgermeister obliegt es dir, das erste Fass anzustechen. Manche würden sagen, dass das der Moment ist, an dem man als Münchner OB den meisten Stress verspürt. Stimmt das? Oder fühlt es sich einfach gut an, dass der Bayerische Ministerpräsident hinter einem herlaufen muss?

Gestresst bin ich vorm Anzapfen nicht, eher angespannt. Und ich versuche auszublenden, dass gerade über 200 Millionen Menschen per Liveübertragung zuschauen. Der Einzug ins Zelt ist jedes Mal ein tolles Gefühl – wer hinter uns geht, ist da eigentlich gar nicht so entscheidend. Vielmehr die vielen Gäste, die gute Stimmung und die Vorfreude auf 16 Tage Wiesn.

Wie viel Verwaltungsaufwand steckt eigentlich hinter dem Oktoberfest? Gibt es in der Verwaltung eine eigene Abteilung die nur für das Oktoberfest zuständig ist?

Für die Organisation des größten Volksfests der Welt gibt es das ganze Jahr über viel zu tun. Daher kommt der bekannte Spruch „Nach der Wiesn ist vor der Wiesn“. Um die Organisation der Wiesn, aber auch um die Dulten, den Stadtgeburtstag und den Christkindlmarkt kümmert sich die Veranstaltungsabteilung im Referat für Arbeit und Wirtschaft. Zusätzlich arbeiten die städtische Berufsfeuerwehr, das Kreisverwaltungsreferat, die Lokalbaukommission, das Referat für Gesundheit und Umwelt und viele andere am Erfolg des Oktoberfests. 

Auf dem Festgelände gibt es die sichere Wiesn für Frauen und Mädchen. Wie erreichen wir es, dass es solche Einrichtungen nicht mehr geben muss?

Wir tun viel, auch bereits in den Schulen, um Mädchen stark zu machen und die Jungs und zu sensibilisieren. Aber neben Prävention brauchen wir ganz konkrete Hilfe für den Notfall. Deshalb ist die Arbeit dieser Einrichtung so wichtig und wertvoll. Schon ein verlorenes Handy, keine Kontaktmöglichkeit zu Freunden, nicht zu wissen, wie das Hotel heißt, kann stark verunsichern. Es ist aber auch eine erste Anlaufstelle für Frauen und Mädchen, wenn sie Opfer von Gewalt wurden. Es ist deshalb gut zu wissen, dass es auf dem Festgelände eine Anlaufstelle, einen geschützten Raum gibt, der ausschließlich für Frauen und Mädchen in Notlagen da ist.

Es gibt immer wieder Streit darüber, ob die Stadt München durch das Oktoberfest etwas verdient. Liegen die Ausgaben nicht wesentlich höher als die Einnahmen?

Dass die Stadt mit dem Oktoberfest reich wird, ist ein Märchen, aber eines, das sich hartnäckig hält. Das Oktoberfest als öffentliche Veranstaltung der Stadt ist kein Gewerbebetrieb, der dem Grundsatz der Gewinnerzielung unterliegt. Die Stadt organisiert die Wiesn und nimmt dafür von den Wirten und den Schaustellern Pachtzahlungen ein. Ziel ist nicht, Gewinne zu erwirtschaften. Das dürfen wir gar nicht. Aber die schwarze Null muss stehen, denn die Steuerzahler dürfen für die Finanzierung der Wiesn auch nicht herangezogen werden. 

Allerdings ist der Wirtschaftswert des Oktoberfests, die sog. „Umwegrentabilität“, sehr hoch und wird in diesem Jahr mit ca. 1,2 Mrd. Euro angegeben. Dieser Wert wird auf dem Festgelände selbst sowie in der Tourismuswirtschaft generiert. Die Stadt profitiert von dieser Wertschöpfung indirekt über die Einnahme von Steuern. Berechnungen, wie hoch diese Einnahmen sind, lassen sich seriös nicht anstellen. 

Was klar ist: viele Münchner*innen verdienen tausende Euro, weil sie ihre Zimmer während der Wiesn wild vermieten und bezeichnen es als Schmerzensgeld. Siehst du das auch so?

Ich würde immer an die Vermieterinnen und Vermieter appellieren, keine Wuchermieten zu verlangen. Aber während der Wiesn ziehen auch die Hotelpreise deutlich an. Wichtig ist mir, dass unsere Regeln für das Vermieten von Zimmern und Wohnungen eingehalten werden. Wer seine Wohnung maximal acht Wochen im Jahr vermietet, kann das machen. Damit wollen wir verhindern, dass Wohnungen dem normalen Mietmarkt entzogen werden. Gerade in einer Stadt, in der Mietwohnungen knapp sind, brauchen wir jede einzelne Wohnung für die Menschen, die hier immer leben. Deshalb haben wir auch das Zweckentfremdungsgesetz deutlich verschärft. Wer seine Wohnung illegal vermietet, muss mit empfindlichen Strafen bis zu 500.000 Euro rechnen.

Als Mitglied einer Partei, die den demokratischen Sozialismus in ihrem Grundsatzprogramm stehen hat, muss man etwas gegen die immer weiter steigenden Preise für Bier, Hendl und Hotelzimmer haben. Warum ist jedes Jahr alles teurer?

Ich sehe die ständige Entwicklung nach oben auch kritisch. Und da meine ich bewusst nicht nur den Bierpreis, sondern vor allem auch die Preise für Softdrinks und Hendl, die vor allem Familien und Menschen mit weniger Geld im Geldbeutel treffen. Aber die Preise auf der Wiesn werden nicht von der Stadt gemacht. Und wenn man realistisch ist, dann ist es ja nicht so, dass die Preise einfach nur immer anziehen und alles andere gleichbleibt. Auch die Kosten für Aufbau, Personal, Lebensmittel werden immer teurer und das wird auf die Konsumenten umgelegt. So bitter das ist. 

Anschließend daran, ist das Oktoberfest inzwischen nur noch was für Menschen, die viel Geld haben? Und was könnte die Stadt dagegen tun?

Die Stadt kann hier leider nicht viel tun, außer an die Verantwortlichen zu appellieren, auch an die Menschen mit kleinen Einkommen zu denken. Deshalb ist jeder Dienstag Familientag und es gibt die „Wiesn mit Herz“, zu der Menschen mit wenig oder keinem Einkommen auf einen Wiesnbesuch eingeladen werden. Das ist nicht viel, aber kommt bei den Betroffenen sehr gut an. 

Eine Fantasiefrage zum Schluss: Du hast dich in letzter Zeit sehr viel für Medizinalhanf eingesetzt. Alkohol macht aggressiv. Wäre es nicht besser, wenn es statt Bier Marihuana geben würde? 

(Lacht) Naja, mit bayerischer Tradition hat so ein Coffee-Shop-Zelt nicht wirklich viel zu tun. Und es gibt ja auch viele, die vom Bier eher müde werden. Die Alkoholexzesse sind zwar nicht schön, halten sich aber vor dem Hintergrund von rund 6 Millionen Besucherinnen und Besuchern in Grenzen. Ich habe mich übrigens für den Anbau von Medizinalhanf in den Stadtgütern eingesetzt, weil es Menschen gibt, deren Schmerzen mit Hanf deutlich besser zu behandeln wären, aber offenbar nicht genügend Medzinalhanf vorhanden ist. Damit wäre vielen Patientinnen und Patienten geholfen. 

Ein Interview von Carmen mit Dieter