Grundrente

Vor einer Woche war es soweit: Die sogenannte Grundrente ist endlich von der Bundesregierung beschlossen worden und soll nun in den Bundestag eingebracht werden. Aber warum ist die Grundrente eigentlich eine gute Idee, für die sich die SPD so stark macht?

Grundsätzlich ist eine Grundrente (auch ,,Garantierente‘‘ genannt) nichts anderes als eine Altersrente, bei der eine Mindesthöhe der monatlichen Rentenzahlungen politisch festgelegt wird. Im Gegensatz dazu wird bei der Altersrente im gewöhnlichsten Fall die Rentenhöhe mit einer Formel berechnet, die die Beitragsjahre und Höhe des Einkommens während der Erwerbstätigkeit unter weiteren Voraussetzungen berücksichtigt.

Warum ist die nun beschlossene Grundrente also nötig und ein erster Schritt in die richtige Richtung? Alle aktuellen Zahlen beschreiben, dass die Altersarmut – also die Armut bei Pensionierten und Rentner*innen – in den letzten Jahren zugenommen hat und unter den derzeitigen Umständen voraussichtlich auch weiter zunehmen wird. Im Jahr 2010 waren noch 14 Prozent der Rentner*innen und Pensionierten durch Armut gefährdet. Ihr Anteil stieg den auf 18,7 Prozent im Jahr 2017. In keiner der von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen ist der Zuwachs damit so groß wie bei Rentner*innen und Pensionär*innen. Pensionierte und Rentner*innen sind die Altersgruppe, die am meisten armutsgefährdet ist, also deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens der Bevölkerung (aktuell rund 13.152 Euro im Jahr) zur Verfügung hat.

Besonders gefährdet sind ältere Frauen, die entweder ledig sind, alleinerziehende Mütter waren, oder – aus welchen Gründen auch immer – teilweise oder gar nicht auf dem Erwerbsmarkt tätig waren, z.B. als sie Kinder großgezogen haben. Die Einführung einer Mindestrente ist also nicht nur aus einer kapitalismuskritischen und sozialistischen Perspektive essentiell; sie dient auch als eine Abhilfe in einer patriarchal geprägten Gesellschaft, in der es lange üblich war, dass in der Ehe nur der Mann einer Arbeit nachgegangen ist. Frauen konnten sowohl rechtlich als auch in der politischen Realität des 20. Jahrhunderts nicht ohne Weiteres einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die ihnen einen Anspruch auf eine verlässliche Rente im Alter verschaffen würde. Eine feministische Sozialpolitik muss also auch diese Frauen im Blick behalten.

Der bereits erwähnte Grundrente-Beschluss der Großen Koalition sieht vor, dass alle, die mehr als 35 Jahre gearbeitet haben, einen Aufschlag zu ihrem Rentenanspruch bekommen werden. Zu den 35 Jahren Arbeit werden auch das Großziehen von Kindern oder die Pflege von Angehörigen mit reingezählt. Positiver Weise muss kein extra Antrag auf die Grundrente gestellt werden. Die Finanzbehörden berechnen sie automatisch und führen eine Einkommensprüfung durch. Nach diesem Beschluss muss niemand zum Amt rennen und darlegen, wie und warum er*sie einen Anspruch auf die Grundrente hat.

Selbstverständlich ist die gesamte Rentenpolitik einer großzügigeren Beachtung würdig. Jedoch ist die Grundrente für die derzeitigen Verhältnisse ein erster Schritt auf dem Pfad zur Besserung, der stetig weiterverfolgt werden muss.

Mit solidarischen Grüßen, der sozialistische Engel

Die Grundrente ist vor allem eins: ein Armutszeugnis für die Rentenpolitik! Die Grundrente ist nicht grundsätzlich falsch, aber sie ist ein Symptom für das, was in der deutschen Rentenpolitik falsch läuft.

Ja, die SPD hat sich größtenteils mit ihren Forderungen durchgesetzt. Es ist gut, dass die, die für die Grundrente in Frage kommen, nicht den Gang zum Amt machen müssen. Die automatische Einkommensprüfung erspart vielen das persönliche Entblößen von finanziellen Daten. Das zusätzliche Plus zur Rente überweist das Finanzamt direkt. Und ja, die Höhe des Zuschusses wird teilweise sehr hoch ausfallen.

Allerdings sind all das doch nur kosmetische Maßnahmen in einem System, in dem etwas grundlegend in die falsche Richtung läuft. Die deutsche Rentenpolitik schleppt sich von dem einen Rentenkompromiss zum anderen. Es liegt doch aber auf der Hand, dass solche Korrekturmaßnahmen die Probleme nur in die Zukunft verschieben, anstatt sie ganz bei der Wurzel zu packen!

Das Rentenniveau (eigentlich Standardrentenniveau) sinkt. Das Rentenniveau spiegelt das Verhältnis zwischen der Standardrente und dem Durchschnittseinkommen wider. Während es im Jahr 2000 noch 52,9 Prozent betrug, lag es 2016 bei 48,9 Prozent. Im Vergleich dazu betrug das Rentenniveau 2017 in den Niederlanden 100,6 Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland liegt weit unter dem OECD-Durchschnitt mit 62,9 Prozent im Jahr 2017. Und nicht nur das: Von Jahr zu Jahr häufen sich die Äußerungen von Politiker*innen, dass sich in Zukunft nicht (mehr) auf die gesetzliche Rente verlassen werden kann. Prognosen zufolge soll das Rentenniveau 2030 nur noch 44,3 Prozent betragen.

Dabei sind Rentner*innen, insbesondere Frauen, schon jetzt extrem von Altersarmut bedroht. Das ist ein Armutszeugnis! Jede*r muss in Würde altern können. Die Grundrente wird diese Armut wahrscheinlich etwas lindern, aber sie wird nicht ausreichen. Sozialdemokratische Politik muss anders aussehen!

Der demographische Wandel stellt sogenannte Industrienationen hinsichtlich der Rentenpolitik gewiss vor Herausforderungen. Aber andere Länder zeigen eindeutig, dass es besser funktionieren kann. Bevor man aber über höhere Renteneintrittsalter nachdenkt, sollte man die bestehenden Handlungsfelder ausnutzen. Es ist ungerecht, wenn sich privilegiertere Personengruppen mit der privaten Altersvorsorge dem Solidarprinzip entziehen können und dann der Rest schauen muss, wo er bleibt. Das gesetzliche Rentenniveau muss langfristig zum Steigen gebracht werden. Das ganze System muss unter die Lupe genommen werden, und eine soziale Lösung für alle gefunden werden.

Mit teuflischen Grüßen, der Anwalt des Teufels

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