Ausbildungsstandards in Europa

Die Diskussion über die Angleichung von (Aus-)Bildungsstandards klingt erst einmal wie ein No-Brainer. Natürlich sollten sich die Ausbildungsstandards in Europa angeglichen oder zumindest angenähert werden. Die unterschiedlichen Ausbildungsstandards sind schließlich einer der Hauptgründe für die Benachteiligung von innereuropäischen Migrant*innen und sie hemmen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften in bestimmten Regionen.Standardisierung ist nicht nur bei der (Aus-)Bildung und Arbeitsplätzen, eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren eines großräumigen kapitalistischen Systems wie der EU. Aberan der Stelle macht es Sinn noch einmal eine Sekunde Abstand zu nehmen.Die Festlegung von Produktstandards ist einer der wichtigsten Bestandteile jedes modernen Handelsvertrags und da die EU nun mal aus so einem Handelsvertrag entstanden ist, ist Produktstandardisierung bis heute eine ihrer wichtigsten Aufgaben (#Gurkenkrümmung).Die Standardisierungen sollen Protektionismus verhindern, sind aber selbst ein Stück Protektionismus. Nicht selten werden diese Standardisierungen in einem wilden und wütenden Lobbywettkampf festgelegt, bis sich am Ende ein Konkurrent durchsetzt und das Produkt des Gegnersfür illegal erklärt wird. Die festgelegten Standards sind ein Ergebnis der innereuropäischen Machtkampfes und der politische Einfluss Deutschlands innerhalb der EU ist eng verbunden mit der Tatsache, dass viele Standards im Sinne der Deutschen Wirtschaft gestaltet wurden, womit Betriebe (vor allem in Süd- und Osteuropa) nicht mehr konkurrenzfähig waren und ganze Landstriche zum Import von deutschen Waren gezwungen wurden.Jetzt ist (Aus-)Bildung zum Glück noch etwas sehr anderes als einzelne Produkte. Aber auch hier stehtdie Hoffnung dahinter, dass sich die standardisierten Ausgebildeten dann auf einem europäischen Markt anbieten. Dies kann natürlich sehr gut gestaltet werden, zu einer besseren Bezahlung von Menschen führen und für alle ganz gut ausgehen. Es kann aber auch sehr fürchterlich gestaltet werden, dann etwa, wenn die (Aus-)Bildungsabschlüsse eines halben Kontinents per Standardisierungsvorschrift degradiert werden. Die bisherige Regelung, das heißt der Mangel einer Regelung, ist sicherlich ein untragbarer Zustand, der eine erschütternde Vielfalt von Diskriminierungen zulässt. Aber wir müssen bei der Gestaltung des europäischen Ausbildungssystems darauf achten, dass wir die bestehenden Diskriminierungen nicht einfach per Gesetz legitimieren.Grundsätzlich denke ich, dass eine Standardisierung der Ausbildung etwas ist, das in der Fortentwicklung Europas quasi unvermeidbar sein wird, ähnlich wie es bei der Hochschulbildung schon passiert ist. Die Frage die wir uns als Sozialdemokrat*innen aber stellen müssen ist also eine andere:Wie werden die Ausbildungsstandards angenähert und in wessen Interesse? Wird es eine europäische Ausbildung im Interesse der jungen Europäer*innen, Migrant*innen und der Gewerkschaften sein, oder etwas das nur den Arbeitgebern und Wirtschaftslobbys nutzt?

Mit diabolischen Grüßen – Anwalt des Teufels

Ausbildungsstandard in Europa

Europa hat einen gemeinsamen Markt. Aber keinen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Diese einfache Erkenntnis ist der Schlüssel zum Verstehen vieler fundamentaler Probleme der europäischen Wirtschaft. Gibt es in den USA  Strukturschwächen in einer Region, können die Arbeitnehmer*innen zusammen packen und in einem anderen Teil des riesigen Landes nach Arbeit suchen. In einer Volkswirtschaft ist diese Arbeitnehmer*innenflexibilität einer der zentralen Mechanismen um für Balance zu sorgen.  

Im Schengenraum spielt dieser Gleichgewichtsfaktor aber so gut wie keine Rolle.  Einerseits hat das ganz offensichtliche Ursachen: Die Sprachbarrieren sind in Europa ungleich höher und zahlreicher als in Amerika. Eine andere Ursache ist aber fundamentaler: Die mangelnde europäische Vergemeinschaftung von Bildungssabschlüssen. Bislang bietet die EU hier nur den Europäischen Qualifikationsrahmen, der die verschiedenen nationalen Bildungsniveaus vergleichbarer machen soll – das hat aber mit gegenseitig anerkannten Abschlüssen nichts zu tun. Denn beim EQR handelt es sich um nichts weiter als eine unverbindliche Empfehlung, der reine kleinste gemeinsame Nenner. Um zu verstehen, warum die EU sich bislang nur auf diesen Minimalkonsens verständigen konnte, muss man begreifen, was die Nichtanerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen eigentlich ist: eine protektionistische Maßnahme zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes.  Denn dadurch können nur die Arbeitskräfte mit dem richtigen Zertifikat in die Hände spucken und zum Wirtschaftsleben beitragen, anderen – nämlich Ausländer*innen – bleibt diese Möglichkeit versagt, selbst wenn deren Ausbildung besser wäre oder sie die Arbeiten günstiger erledigen würden. Im Zuge der Eurokrise vor nun gut 10 Jahren sind zwar viele EU-Bürger*innen nach Deutschland gekommen, um hier Arbeit zu finden, allerdings haben viele davon erst hier Ihre Ausbildung machen können oder mussten hier studieren. Denn selbst nach der Umstellung auf das Bologna-System werden Universitätsabschlüsse nicht EU-weit automatisch anerkannt.  

Und dies führt nun alles dazu, dass wir in Deutschland seit Jahren über einen Fachkräftemangel und einen überhitzten Arbeitsmarkt jammern während in Ländern wie Spaniern insbesondere die junge Bevölkerung keine Arbeit findet. Die längst überfällige Standardisierung europäischer Ausbildungsabschlüsse würde dabei nicht nur beim Abbau europaweiter Arbeitsungleichgewichte helfen. Es ist auch aus politischer und gesellschaftlicher Sicht ein notwendiger Integrationsschritt.  Denn er bedeutet wirkliche Personenfreizügigkeit. Das würde den Bürger*innen Europas die Chance eröffnen, wirklich in der EU zu leben und nicht mehr nur in ihren Nationalstaaten. Und genau daran mangelt es gerade vielerorts in Europa: dem Glauben an die EU. Um diesen wieder zurück zu bekommen, müssen sich Dinge ändern, die die Menschen bei ihren wichtigsten Entscheidungen betreffen. Das muss über Themen wie Sicherheit und Verteidigung oder Migration hinausgehen. Ein endlich geeinter europäischer Arbeitsmarkt könnte das Leuchtfeuer sein, das die EU gerade so dringend braucht. 

Antifaschistische Grüße – der sozialistische Engel

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