„Wir sind noch nicht fertig mit dieser Partei!“

Der Jusos München-Blog fragte Mitglieder des Vorstand, warum eigentlich noch SPD?

Traditionell ist die SPD eine Partei mit einer lebendigen Diskussionskultur. Dass es auch mal der Fall sein kann, dass man am Ende einer Diskussion nicht auf der Seite ist, die der Mehrheitsmeinung in einer Partei zuzurechnen ist, gehört zum demokratischen Prozess. Dies muss man als DemokratIn verstehen und dieses ist auch gut so.

Seit einiger Zeit bewegt sich die SPD aber mit einigen Entscheidungen nicht immer innerhalb dieser Parameter. Obwohl die Mehrheit der Landesverbände und Mitglieder klare Positionen gegen die Freihandelsabkommen oder die Vorratsdatenspeicherung (Heute unter dem Euphemismus Höchstspeicherfrist bekannt), werden diese vom SPD-Bundesvorsitzenden Gabriel vorangetrieben. Sichere Drittstaaten, „Verständnis“ für Pegida oder ein Wahlprogrammentwurf, der einer linken und internationalistischen Volkspartei, die für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität steht, Patriotismus, Law-and-Order-Politik und das Überholen der Union von rechts zu verordnen, sind dann aber Momente, die nicht wenige GenossInnen aus der Partei treiben. Die Wahlergebnisse und Umfragewerte verharren seit Jahren im Keller und die Glaubwürdigkeit der Partei leidet schon seit der Agenda 2010.

Grund genug darüber zu reden. Wir haben mit einigen Mitgliedern des Münchner Juso-Vorstands darüber gesprochen, wie sie die Situation sehen.

Lena Sterzer, Vorsitzende Jusos München erklärt dies so: „Die aktuelle SPD ist nicht zuletzt gekennzeichnet durch ein Defizit an Glaubwürdigkeit und innerparteilicher Demokratie. Ich will keinen Parteivorsitzenden, der die Beschlüsse der Partei nicht ernst nimmt, der seine Meinung täglich ändert und der – und das ist bei Weitem das Schlimmste – nicht nach sozialdemokratischen Grundsätzen handelt. Der Umgang mit dem griechischen Volk ist nicht nur eine neuerliche Spitze auf dem Eisberg des Verrats sozialdemokratischer Überzeugungen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der europäischen Idee.“

Marius Köstner, Beisitzer für politischer Bildung, schilderte seinen Gemütszustand mit der SPD dabei: „Als ich in die SPD eingetreten bin war mir durchaus bewusst, in was für eine Partei ich eintrete. Die Partei mit der längsten Geschichte und einer stetigen Ambivalenz, einer Vielzahl von Sündenfällen, aber auch vielen Momenten auf die ich positiv blicken kann. Und als ich in die SPD eingetreten bin, war mir klar, dass ich versuchen möchte diese Partei wieder auf Kurs zu bekommen, wenn es so einen Kurs überhaupt jemals gab. Meine Vorstellung war, dass die SPD wieder tatsächliche sozialdemokratische Politik macht, ich wollte auch daran arbeiten dass die nationalistischen Tendenzen weniger Chancen innerhalb der SPD haben (ein gutes Beispiel für ein Thema der stetigen Ambivalenz in dieser Partei). Von meiner Entscheidung für die SPD hat mich vor allem der sogenannte „Asylkompromiss“ sehr lange abgehalten. Ich habe mir da Verbesserungen erhofft, bisher bin ich sehr enttäuscht worden. Auch die Abkehr von der Agenda-Politik ist für mich bisher nicht in ausreichendem Umfang erfolgt. Die SPD trägt im Moment einen wirtschaftspolitischen Kurs mit, den ich sowohl ökonomisch als auch ideologisch komplett ablehne. Diese Liste der enttäuschten Hoffnungen könnte ich noch fortsetzen und gerade mit dieser unpolitischen Großen Koalition wird es immer schlimmer und schlimmer.“

Als wir dann fragten, wieso man denn dann überhaupt in der SPD bleibe, bekamen wir zuerst eine Frage zu hören.

Gut, warum nur bin ich eigentlich noch in dieser SPD?“ beginnt Milos Vujovic, stellvertretender Vorsitzender der Münchner Jusos. Er erklärt dann weiter: „Weil es nicht ohne die Sozialdemokratie geht. Sicher, mit der SPD, wie sie derzeit ist, ist durchgehend keine linke Politik zu machen. Ohne sie wird es aber in Deutschland nie eine linke Mehrheit für Veränderungen geben. Zumindest keine, mit der man etwas bewegen, die Gesellschaft von ihren Grundfesten auf verändern kann. Klar ist auch, dass morgen auch mit einer SPD, die sich ihrer selbst Gewahr geworden ist, nicht die große sozialistische Revolution in Deutschland kommt. Aber mit einer SPD, die weiß wer sie ist, was ihre Wurzeln sind, für wen sie einzustehen hat, mit einer solchen SPD ist ein besseres Deutschland, ein besseres Europa möglich. Das geht nur, wenn wir gemeinsam in der SPD daran arbeiten.“

Ähnlich sieht das die Frauenbeauftragte der Jusos München, Hannah Hefermehl-Fischer: “Weiterhin glaube ich, dass es nicht reicht die SPD aufgrund von Entscheidungen auf Bundesebene zu bewerten bzw. ihre Integrität an einzelnen Personen festzumachen. Weiterhin sind ja bei weitem nicht alle Entscheidungen schlecht, in vielen Bereichen macht die SPD tolle Politik – nur leider nicht in allen. Und ich sehe, dass es auf eigentlich allen Ebenen unglaublich engagierte Mitglieder gibt, die für die gleichen Ziele kämpfen wie ich. Ich sehe Ortsvereine, die tolle Arbeit leisten, ich sehe, dass die Jusos unermüdlich kämpfen und ich finde: Wir alle sind die SPD – nicht nur ‘die da oben’ – und deshalb lohnte es sich, in dieser Partei zu bleiben und sie wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.“

Elisabeth Lipp, stellvertretende Oberbayern-Vorsitzende der Jusos macht ergänzend deutlich: „Im Gegenteil: Für mich ist die schwierige Lage meiner Partei damit verbunden, dass es für unliebsame Personen zu wenig Alternativen gibt. Die Lösung daraus kann aber nicht sein, auszutreten und die Spaltung der Linken etwa weiter voranzutreiben durch Eintritt in eine andere oder gar Eröffnung einer neuen Partei, sondern muss heißen: Die SPD stärken mit Genossinnen und Genossen, die die Grundwerte wirklich vertreten, unabhängig von Regierungskoalitionen. Ich genieße das Privileg, mit vielen Genossinnen und Genossen zu arbeiten, die genau das tun. Von denen brauchen wir mehr. Eine Partei ist kein Selbstläufer, Parteiarbeit darf sich nicht am Eigennutz orientieren, sondern dazu dienen, diesen Staat zu gestalten und zwar so wie es unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität fordern.“

Lena Sterzer sah neben dem Dunkel und dem Durchhalten dann doch einen Silberstreif am sozialdemokratischen Horizont: “Ich engagiere mich gerne in und für die SPD, das heißt für mich aber für die sozialdemokratische Idee, die Tradition und die Grundwerte für die sie steht, nicht aber für eine Parteispitze, die diese Werte verrät. Politisches Engagement heißt für mich Dinge zu hinterfragen und kritisch zu diskutieren, auch in der eigenen Partei. Ich werde nicht austreten, weil ich mir die die sozialdemokratische Idee nicht von Personen, die kommen und gehen, kaputt machen lassen will. Das einzig Positive an den aktuell verheerenden Umfrageergebnissen ist, dass sie Raum lassen, Mut für Veränderungen zu zeigen. Theoretisch. Die SPD muss meiner Meinung nach die Partei sein, die den Mut hat, Politik zu machen, die die wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft bekämpft, in der sich unsere Grundwerte widerspiegelt und die dem neoliberalen Zeitgeist einen glaubhaften Gegenentwurf entgegensetzt. Für dieses Ziel lohnt es sich doch dabei zu bleiben.“

Zum Schluss des Gesprächs waren sich alle einig: Wunsch und Realität in der SPD klaffen zur Zeit sehr weit auseinander. „Aber wir sind noch nicht fertig mit dieser Partei!“

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