Make Wohnen in München Sexy Again

Wohnungspolitik ist heavy. Wohnungspolitik in München ist noch viel heavier. Das hat ganz verschiedene Gründe. Zum ersten gibt es nicht ,,die Wohnungspolitik‘‘ – dieses Aufgabenfeld ist eine Ansammlung von Vorschriften, Instrumenten und wirtschaftlichen Wirkungsketten. Zum anderen steht München selbst ganz konkret vor bestimmten Herausforderungen.

München ist im Gegensatz zu anderen Millionenstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln besonderen Rahmenbedingungen unterworfen, die es so schwierig machen, die allgemeine Situation auf dem Wohnungsmarkt radikal zugunsten weiter Teile der Einwohner*innen zu verändern.

Im Gegensatz zu den Millionenstädten Hamburg und Köln weist München seit einigen Jahrzehnten einen enormen Bevölkerungszuwachs vor. Während sich Hamburgs und Kölns Größe heute nicht frappierend von ihrer Größe in den Vorkriegsjahren unterscheidet, hat sich München im Vergleich zu den Vorkriegsjahren fast verdoppelt (von 800000 auf knapp 1,5 Millionen Einwohner*innen). Dabei steht München mit 310 km² nicht einmal die Hälfte der Fläche von Hamburg zu. Dies resultiert in einer Einwohner*innendichte von derzeit fast 5000 Einwohner*innen pro Quadratkilometer. Auch der Leerstand ist aussagekräftig: Während in ganz Deutschland die Leerstandsquote im Jahre 2018 2,8 Prozent betrug, so beträgt die Quote für die städtischen Wohnungen in München 0,4 Prozent. Und diese Wohnungen dürfen aus rechtlichen und planerischen Gründen nicht bewohnt werden.

Neben der begrenzten Fläche und der hohen Einwohner*innenzahl weist München eine sehr starke und dynamische Wirtschaft auf. Viele Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben hier ihren Sitz. Das Einkommen pro Kopf ist überdurchschnittlich hoch. Die Löhne gehören zu den höchsten in Deutschland, und die Quote der Arbeitssuchenden ist ebenfalls äußerst gering. Diese wirtschaftliche Attraktivität führt zu einem Zuzug und darüber hinaus zu hohen Investitionen in den Wohnungsmarkt. Diese Investitionen sollen nicht zu mehr günstigem Wohnraum führen, sondern Investor*innen nutzen die Attraktivität des Standorts München, um Wohnungen aufzukaufen, teuer zu sanieren und weiter teuer zu vermieten oder zu verkaufen. Davon profitieren fast ausschließlich die Investor*innen, denn zwar finden sich immer noch Menschen, die diese Wohnungen kaufen oder mieten; Dies sind aber keine Normalverdiener*innen.

München gleicht in der Größenordnung Berlin und Hamburg, ist jedoch kein eigener Stadtstaat. Der Stadtrat von München darf keine eigenen Gesetze zur Wohnungspolitik erlassen, sondern kann immer nur im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln, die das Land Bayern und der Bund auf diesem Feld gesetzlich zulassen. In diesem Kontext muss insbesondere das konträre Verhältnis der politischen Kräfte in Stadt und Land ins Auge gefasst werden. In München stellt seit Jahrzehnten die SPD die tragenden Stadtratskoalitionen, während im Land und im Bezirk Oberbayern die CSU die stärkste Kraft ist.

Die beiden Parteien haben traditionell eine andere Vorstellung von der richtigen Wohnungspolitik. Grundsätzlich strebt die CSU an, dass sich alle Bürger*innen mit Eigenheimen selbst versorgen können. Deswegen fordert sie grundsätzlich, dass Subventionen von Eigenheimen und Vergünstigungen für Baukosten gewährt werden sollen. Als zweiten Ausgangspunkt sieht die CSU die schwerfälligen Bauvorschriften als Hindernis für den Wohnungsbau und fordert hier eine Deregulierung. Die SPD sieht eher das Problem, die Mieterinnen und Mieter vor den Preissteigungen, die der Markt mit sich bringt, zu schützen und weiteren geförderten Wohnraum zu finanzieren. Auch soll die Förderungsfähigkeit von vielen Sozialwohnungen erhalten bleiben und generell ein Verkauf von Wohnungen im städtischen Eigentum nicht in Frage kommen. Beispielsweise wurde in München, anders als in anderen Städten, keine Privatisierung von kommunalen Wohnungen vorgenommen. Hier stehen sich also im Grundsatz ein wirtschaftsliberaler und ein regulierender Ausgangspunkt gegenüber.

In der Praxis setzt sich indes der regulierende Ansatz der SPD-Linie in München durch. Im Kooperationsvertrag von 2014 haben sich beide Parteien unter anderem auf das Handlungsprogramm ,,Wohnen in München‘‘ VI geeinigt, das vorsieht, mit Millioneninvestitionen mit Mitteln des Bundes, des Landes und aus dem Stadthaushalt ab 2017 bis zu 8500 neue Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen. Daneben sollen weiterhin keine städtischen Wohnungen verkauft werden. Auch gibt es einen sogenannten Leerstands-Melder der Stadt München, bei dem leerstehende Wohnungen in München gemeldet werden können, da auch der bewusste Leerstand (leer seit mindestens sechs Monaten) eine Zweckentfremdung von Wohnungen ist, die gegen städtische Satzungen verstoßen kann.

Die anderen Parteien in München erkennen diesen regulierenden Ansatz überwiegend an, es wird sich eher über das Wie, als über das Ob gestritten, was keine Verwunderung bei der Marktsituation in München sein sollte. Dass sich dies als äußerst nötig erwiesen hat, zeigen die Zahlen. Das hohe Bevölkerungswachstum, die knappe Fläche und zudem die Investitionen in den Münchener Immobilienmarkt wirken sich unmittelbar auf die Mietpreise der Stadt aus. München liegt im oberen statistischen Bereich der Mietpreise in Deutschland, lange an der Spitze, jüngst von Stuttgart als teuerste Stadt für Mieten abgelöst. Trotz der relativen guten finanziellen Situation der Münchnerinnen und Münchner reichen die erzielten Gehälter teilweise nicht mehr, um sich das Wohnen in München leisten zu können.

Wenn man die Entwicklung der Bruttolöhne mit dem Wachstum der Mietpreise in München vergleicht, sticht heraus, dass allgemein die Mietpreise seit 2013 stärker steigen als die Bruttolöhne. Im besonderen wirkt sich das auf Haushalte mit geringen oder sogar mittleren Einkommen aus. Der Anteil an Haushalten in München, die über 40 Prozent ihres Nettoeinkommens auf die Bruttokalt(!)miete verwenden müssen, ist mit 21 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Nicht umsonst beherrscht das Thema Wohnungspolitik den politischen Diskurs der Stadt München seit Jahrzehnten und sticht vor allen anderen Themen im besonderen Maße hervor. Das bereits erwähnte Handlungsprogramm ,,Wohnen in München‘‘ wurde vom jetzigen Stadtrat in seiner sechsten Neuauflage, mit Erstauflage im Jahre 1989, verabschiedet. Auch in der derzeitigen Münchner Politik und jetzt im Wahlkampf spielt das Thema eine außerordentliche Rolle. Dies führt auch zu eher kreativen, wahlweise seltenen Lösungen. Der Stadtrat hat jüngst auf SPD-Initiative die ,,Münchner-Anleihen‘‘, also kommunale Anleihen für Bürger*innen der Stadt München, beschlossen, um bei der Finanzierung von Wohnungen alle miteinzubinden und für günstigere Wohnangebote zu sorgen. Das geplante Volumen der Stadtanleihe, die auch Institutionen erwerben können, soll 100 bis 120 Millionen Euro betragen. Davon sollen Wohnungen aufgekauft werden, die von Luxussanierungen bedroht sind und günstiger vermietet werden.

Am Beispiel von München kann man jedoch ernüchtert feststellen, dass sich mit einer Politik der Regulierung vieles Schlimmeres verhindern lässt, Grundprobleme der Funktionsweise eines Wohnungsmarkts sich jedoch nicht einfach auf kommunaler Ebene ändern lassen. Ideen beispielsweise, die die leistungslose Profitabschöpfung von Grundstückseigentümer*innen beim Verkauf des Grundstücks begrenzen sollen, wie die Bodenwertzuwachssteuer, fordern wir Jusos München in unserem Roten Faden für die Kommunalwahl am 15. März 2020. Diese Idee ist keinesfalls neu: Von 1900 bis 1944 existierte eine Bodenwertzuwachssteuer bereits. Auch die neue SPD-Parteiführung unter Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans forderte zuletzt solch eine neue Steuer. Dass dies nur ein neues Instrument unter vielen ist, die es braucht, um weg von einem profitorientierten Wohnungsmarkt hin zu einer gemeinwohl-orientierteren Wohnungspolitik zu kommen, ist sicher. Eine neue Bodenordnung muss das Ziel sozialistischer und sozialdemokratischer Politik sein. Im Roten Faden haben wir viele Forderungen dahingehend aufgestellt und in das Programm der SPD einfließen lassen. Ein erster Schritt wäre es, dass die Jusos und die SPD diese Wahl gewinnen und diese Konzepte umsetzen können.

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