Liebe Frau Prof. Dr. Wanka, wir haben da mal was vorbereitet…

Von Stefanie Krammer

Der Koalitionsvertrag wurde uns 2013 mit blumigen Worten angepriesen, vor allem das Argument, er bringe zahlreiche Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sollte uns zur Zustimmung bewegen. Wir Jusos haben trotz dieser Anpreisungen guten Gewissens die Zustimmung zum Koalitionsvertrag verweigert – und konnten uns damit nicht durchsetzen. Wir haben die demokratische Entscheidung der Partei akzeptiert und setzen uns seither dafür ein, dass die wirklich guten und wichtigen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags auch tatsächlich umgesetzt werden. Viel Zeit bleibt uns dafür nicht mehr – im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen im Herbst 2017 – effektiv noch etwa ein Jahr.

Eine solche Vereinbarung ist zum Beispiel die Evaluierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), welche im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist: „Wir wollen die duale Ausbildung stärken und modernisieren. Wir werden das Berufsbildungsgesetz evaluieren und Anpassungen prüfen, insbesondere in Hinblick auf die Erhöhung der Durchlässigkeit, die Stärkung der Ausbildungsqualität und gestufter Ausbildungen, die Bildung von Berufsfamilien und die Sicherung des Ehrenamtes in den Prüfungsgremien.“ Laut ursprünglichem Zeitplan des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hätte dieser Evaluationsprozess Ende 2015 abgeschlossen sein sollen, so dass eventuelle Gesetzesänderungen noch 2016 verabschiedet werden können. Dieser Zeitplan wurde jedoch nicht eingehalten. Damit die notwendige Novellierung des BBiG in dieser Legislaturperiode noch gelingt, gilt es nun den Prozess voranzutreiben – gemeinsam mit den Gewerkschaftsjugenden. Um dem Bundesministerium unter die Arme zu greifen und ein wenig Arbeit abzunehmen, haben die Jusos München auf ihrer Jahreshauptversammlung das BBiG in einem umfassenden Antrag evaluiert. Dies fiel uns nicht schwer, denn als Jusos haben wir eine umfassende Beschlusslage zum Themengebiet berufliche Ausbildung und außerdem konnten wir auf präzise Ausarbeitungen der Gewerkschaftsjugenden zurückgreifen.

Wir senden deshalb folgende freundliche Hinweise an das Bundesministerium für Bildung und Forschung:

Ausbildung garantieren!

Eine Ausbildungsgarantie muss im BBiG verankert werden. Die Jusos fordern die Einführung des gesetzlichen Anspruchs auf eine mindestens dreijährige berufliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zu absolvieren.

Ein BBiG für alle!

Das Berufsbildungsgesetz muss endlich alle Formen der beruflichen Ausbildung erfassen, das heißt Ausbildungsberufe, die bisher in eigenen Gesetzen oder nach Landesrecht geregelt sind, müssen aufgenommen werden, genauso wie das Duale Studium. Dieses ist bisher überhaupt nicht gesetzlich geregelt. Dadurch ergeben sich Gesetzeslücken, die Unternehmen ermöglichen dual

Studierende zu beschäftigen, ohne dass entsprechende Schutzbestimmungen greifen, die Ausbeutung verhindern und Ausbildungsqualität sichern sollen.

Gute Ausbildung braucht Zeit!

Eine gute Ausbildung zu einem verantwortungsvollen Facharbeiter oder einer Facharbeiterin dauert mindestens drei Jahre. Eine zweijährige “billigere” Schmalspur-Ausbildung, wie sie viele Arbeitgeber_innen und das Wirtschaftsministerium anstreben, kann das nicht leisten und bietet darüber hinaus kaum berufliche Entwicklungsperspektiven.

Sichere Perspektiven durch unbefristete Übernahme!

Eine sichere Perspektive ist gerade für junge Menschen sowohl beim Übergang von Schule in Ausbildung als auch beim Übergang von der Ausbildung ins Berufsleben wichtig. Die Jusos fordern daher eine unbefristete Übernahmegarantie für alle Auszubildenden.

Mindestausbildungsvergütung

Es kann nicht sein, dass Auszubildende, die in Vollzeitausbildung erheblich zum Betriebserfolg beitragen, so wenig verdienen, dass die sich ihr Leben damit alleine nicht leisten können. Die Ausbildungsvergütung muss Auszubildenden ein eigenständiges Leben ermöglichen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Facetten ermöglichen.

Ausbildungsqualität sichern!

Ausbildungsqualität lässt sich am besten durch die Mitbestimmung starker Jugend- und Auszubildendenvertretungen sichern. Doch auch in Betrieben, in denen es keine Jugend- und Auszubildendenvertretung und keinen Betriebs-/Personalrat gibt, muss die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen kontrolliert werden.

Rolle der Ausbilder_innen definieren!

Die Einhaltung einheitlicher berufspädagogischer Standards für die Ausbildung der Ausbilder_innen sowie die verbindliche Voraussetzung der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) für hauptamtliche Ausbilder_innen muss festgeschrieben werden. Diese muss modernisiert werden und um methodisch-didaktische und jugendpsychologische Kompetenzen erweitert werden.

Gute Weiterbildung!

Es müssen verbindliche Qualitätsanforderungen für die Lernprozessgestaltung beschrieben werden, beispielsweise durch die Verankerung eines Fortbildungsrahmenplanes, analog zu den Rahmenplänen in der beruflichen Ausbildung. Bildungsanbieter in der beruflichen Fortbildung sollten zukünftig ein anerkanntes Qualitätssicherungssystem verpflichtend anwenden.

Zeit zum Lernen!

Wir fordern eine einheitliche Regelung für alle Auszubildenden unabhängig von ihrem Alter. Die Berufsschulzeit muss für alle Auszubildenden inklusive der Wege- und Pausenzeit vollständig auf die betriebliche Arbeitszeit angerechnet werden. Die Rückkehrpflicht nach der Berufsschule in den Betrieb muss abgeschafft werden.

Kostenfreie Bildung garantieren!

Wir fordern eine eindeutige Verankerung der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit im BBiG.

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Ein Beitrag von Stefanie Krammer

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