Schwierige Zeiten brauchen kreative Lösungen. Das haben sich wahrscheinlich auch die Beamten der Weltbank gedacht, als sie 2017 ihr neues Allheilmittel gegen Finanzierungsschwierigkeiten zur Bekämpfung von Pandemien in ärmeren Staaten vorstellten. Die Idee entstand nach der Ebola Krise 2014, an der damals über 11.000 Menschen starben und die internationale finanzielle Hilfe nur schleppend anlief. Doch wie funktionieren diese neuen Fonds und was können sie bewirken?
Die Fonds sollen eine schnelle unkomplizierte Hilfe für Länder des Globalen Südens sein, die bei Pandemien automatisch und schnell Geld zur Verfügung stellt. Das System ist simpel. Die Weltbank gibt Anleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren aus. Anleger können diese erwerben. Bricht eine Pandemie aus, verlieren die Anleger ihr Geld und bricht keine Pandemie aus, bekommen die Anleger ihr Geld mit Zinsen zurück. Die Anleihen sind in risikoreiche und weniger risikoreiche Tranchen eingeteilt. Die weniger risikoreichen Tranchen werden erst bei 2500 Toten und nur bei Corona sowie Grippe Pandemien ausgelöst. Sie geben 6,9 % Zinsen. Die risikoreicheren Tranchen decken mehr Krankheiten ab, können ab 250 Toten ausgelöst werden und geben 11,5 % Zinsen.
Die Anleihen werden direkt von der Weltbank ausgegeben und durch die Pandemie-Notfall-Finanzierungsfazilität (Pandemic Emergency Facility-PEF) verwaltet. Der Fond und die Zinsen werden von Australien, Deutschland und Japan finanziert. Wenn es zur Pandemie kommt und die Anleihen ausgeschüttet werden, können Mitgliedern der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 76 Mitgliedsländer) die Ausschüttungen beantragen.
Das hört sich zunächst makaber an oder? Dennoch scheint es Vorteile zu geben. Schnelle und unkomplizierte Hilfen für Länder des Globalen Südens, die von einer Pandemie betroffen sind. Die Hilfe wird automatisch ausgelöst. Das Geld wird von internationalen Investoren und Fondgesellschaften nach klaren Regeln ausgestellt. Das heißt kein zähes Ringen mehr um internationale Unterstützung und keine schleppend anlaufende internationale Hilfe. Doch diese Bonds haben mehrere Haken.
Der größte Haken ist ethischer Natur. Eine internationale Organisation, die gegründet wurde, um weltweite Armut und soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen gibt Anleihen aus, die als Ausschüttungskriterium den Tod von Menschenleben hat. Die Weltbank muss hoffen, dass die Epidemie zur Pandemie wird und die Zahl der Todesopfer 2500 erreicht, denn ansonsten verliert die Bank Geld und muss Zinsen von bis zu 11.5 % jedes Jahr zurückzahlen. Dies steht nicht im Einklang mit den Gründungsmotiven der Weltbank.
Befürworter der Pandemie-Anleihen argumentieren, dass ohne die Anleihen, die Finanzunterstützung für ärmere Länder zu schleppend anlaufen würde, um eine Pandemie effektiv bekämpfen zu können. Diese Argumentation klingt einleuchtend, verkennt aber das eigentliche Problem. Nämlich die Geberpolitik der Industrieländer. Nach der Finanzkrise 2008 haben diese ihre Etats für Entwicklungszusammenarbeit heruntergefahren. Das hat schwerwiegenden Folgen für die Gesundheitssysteme der Länder, des Globalen Südens. Die Bonds kaschieren, die Sparpolitik der Industrieländer im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und bieten keine Lösung, um Gesundheitssysteme gegen Pandemien zu wappnen. Dazu muss bedacht werden, das medizinisches Pflegepersonal und gesundheitliche Infrastruktur nicht vom Himmel fallen, sondern Jahre brauchen, um ausgebildet und aufgebaut zu werden. Wenn eine Pandemie ausbricht, ist ein Gesundheitssystem, welches zum Beispiel an Pflegepersonal spart (Italien) oder in dem der freie Markt das Gesundheitssystem regelt (USA) nicht in der Lage eine Pandemie effektiv zu bekämpfen. Das gleiche gilt für Länder des globalen Südens, die oft unterfinanzierte Gesundheitssysteme haben. Ein zweiter Kritikpunkt ist die Finanzierung. Deutschland hat sich laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) dazu bereit erklärt 50 Millionen Euro Soforteinlagen sowie 5 Millionen Euro jährlich zu bezahlen, das sind 75 Millionen Euro für die ersten drei Jahre.
Diese Steuergelder sind laut Haushaltsetat dazu bestimmt, ärmere Länder durch Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Wenn diese dazu benutzt werden, um Investoren ihre Rendite auszuzahlen hört sich das nach einem schlechten Deal an.
Abgesehen von der fragwürdigen Finanzierung und den ethischen Problemen sind die Pandemie-Anleihen auch ineffizient. Sie sind an einen 386 Seiten langen Katalog von Bedingungen gebunden, welcher die Ausschüttung regelt. In der Ebola Pandemie in der DR Kongo 2018 hat es nicht gereicht, die Anleihen zu aktivieren. Es haben 20 Tote in einem Nachbarstaat der DR Kongo gefehlt, um die Bedingungen zu erfüllen. Betrachtet man die Bedingungen, stellt sich eine weitere Frage. Was ist, wenn es keine sicheren Zahlen über die Todesopfer gibt, oder diese aus politischen Gründen, wie im Fall von China nicht herausgeben werden? Dazu liefert die Informationsbroschüre der Weltbank zu den Pandemie-Anleihen keine Antworten. Die Zeitdauer zwischen Ausrufung einer Pandemie durch die WHO und Ausschüttung der Anleihen wirft weitere Fragen auf. Nachdem die WHO eine Pandemie erklärt hat, sind weitere 3 Monate notwendig, bis die Anleihen ausgeschüttet werden. Damit wäre das Argument der schnellen Hilfe infrage gestellt. Hinzu kommt die politische Komponente. In den letzten Tagen sind Stimmen laut geworden, die der WHO vorwerfen auf Druck von China zu lange gewartet zu haben, eine Pandemie auszurufen.
Trotz allem werden die Pandemie-Anleihen wohl diesmal zum Einsatz kommen. Am 31 März wurden alle Ausschüttungskriterien erfüllt und am 24.04 wird endgültig über die Ausschüttung der für Corona vorgesehenen 195.84 Millionen US-Dollar entschieden. Der Betrag mag auf den ersten Blick groß erscheinen, vergleicht man ihn jedoch mit den 240 Milliarden Euro, welche die EU-Staaten Zurzeit mobilisieren und bedenkt man, dass die Ausschüttungen für 76 Länder gedacht sind fragt man sich was das ganz eigentlich soll. Unter diesen Gesichtspunkten hören sich die Pandemie-Anleihen nach einem schlechten Taschenspieletrick an, der von den strukturellen Problemen der Entwicklungszusammenarbeit und des weltweiten Krisenmanagements ablenken sollen. Glaubt man mehren Tageszeitungen, werden schon die Sargnägel in den Sarg für die Pandemie-Anleihen geschlagen. Man sollte sich aber nicht zu früh freuen. Mit der Berufung des Trump Lieblings und Weltbankkritikers David Malpass zum neuen Präsidenten der Weltbank wartet wahrscheinlich schon die nächste Schnapsidee darauf, die Welt ein kleines bisschen schlechter zu machen.
Ein Beitrag von Lenny