Das Ziel: die Welt retten. Mindestens.

Von Milos Vujovic

23, 22, 21, 20… Nein, es handelt sich nicht um einen Countdown. Es sind die Umfragewerte, mit denen Medien dann doch mittlerweile in beständiger Konstanz das Ende der sozialdemokratischen Geschichte vermuten. Man könnte meinen, die SPD gibt es schon nicht mehr. Es sind nur noch die Schatten einer längst vergangenen Partei, über die man Umfragen anstellt.

An dieser Stelle möchte ich versichern, die Gerüchte über das Ableben der SPD sind stark übertrieben. Die Sozialdemokratie lebt, solange ihre Mitglieder diskutieren, nicht resignieren. Solange sie nicht einfach einen Kurs des Klein-Klein und des Zickzack hinnehmen. Selbst bei schlechten Umfragewerten. Ebendiese Diskussion ist es, die Partei und Umfragewerte revitalisieren kann und muss. Es kann nicht nur das Hick-Hack um den Vorsitzenden sein, das eine Antwort auf die Krise der Sozialdemokratie geben darf. Die SPD muss wieder das Gefühl vermitteln, dass sie gebraucht wird. Denn gebraucht wird sie heute so sehr, wie schon lange nicht mehr. Wir stehen heute wieder vor der grundlegenden Frage, wie wir in einem Gemeinwesen weiterleben wollen, können und sollen. Die Antwort auf diese Frage steht und fällt mit dem Faktor soziale Gerechtigkeit.

Es ist nämlich jenes Alleinstellungsmerkmal, das die SPD auszeichnet. Das S bedeutet im Grundverständnis eben nicht nur sozialdemokratisch als Worthülse. Es ist das große geistige Gewölbe, an dem sich gesellschaftliches und politisches Handeln orientieren sollen. Es ist die große sozialdemokratische Erzählung, die die SPD zu dem macht, was sie ist. Es ist ebendies, das die SPD immer zu mehr, als nur einer Partei unter anderen gemacht hat. Wie soll diese denn nun heute aussehen?

Ein Hin und Her, Rumtaktiererei und der Blick auf kurzlebige Umfragewerte, helfen nicht weiter. Es ist die Antwort auf die wichtigen Fragen. Es sind die klaren Aussagen der Solidarität und des politischen Kurses, die es richten müssen und einzig allein können.

Das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft ist verloren gegangen. Dieses werden wir beenden müssen. Ökonomische Verhältnisse dürfen nicht länger der tonangebende Faktor des gesellschaftlichen Lebens sein. Die Wirtschaft muss dem Gemeinwohl dienen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse müssen so geordnet werden, dass sie nicht nur die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft der alten Bundesrepublik bewahren, sondern diese weiterentwickeln. Die Bewahrung oder Wiederherstellung alter Rechte darf uns heute nicht mehr genug sein. Wir müssen diesen Kampf für soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt in der Gesellschaft mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln eines demokratischen Rechtsstaats wieder aufnehmen. Der Kampf zwischen Arm und Reich ist seit Jahren wieder im vollen Gange. Es ist an der Zeit, dass die SPD wieder zur Anwältin derer wird, die sich nicht durch Geld und Einfluss freikaufen können.

Nicht nur Rentner_innen, Kinder und Frauen sind besonders von Armut bedroht. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst. Diese Entwicklung muss beendet werden. Ohne Wenn und Aber. Wir wollen die Privatisierungsprozesse im Rentensystem beenden. Das Rentenniveau muss angehoben werden, damit jede Person im Ruhestand ein sicheres Auskommen hat. Die schlechtere Entlohnung von Frauen muss die SPD beseitigen. Wer nicht gleichen Lohn für gleich(wertig)e Arbeit zahlt, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Arbeitgeber_innen müssen wieder paritätisch in das Versicherungssystem einzahlen. Gebühren für Kinderbetreuung gehören konsequenten abgeschafft. Wir müsse bezahlbaren Wohnraum schaffen, d. h. nicht nur,den öffentlichen Wohnungsbau vorzutreiben sondern wir müssen die Spekulation mit Wohnraum bekämpfen und beenden.

Krankenhäuser, Schulen und die öffentliche Infrastruktur sollen die Finanzierung erfahren, die nötig ist, um die an sie gestellten Aufgaben zu erfüllen. Die fortschreitende Kapitalismuskonformität der Demokratie müssen wir stoppen. Abkommen, die den demokratischen Rechtsstaat aushebeln, wie TTIP oder CETA müssen verhindert werden. Handelsabkommen sollen ausschließlich dem sozialen Wohl und der internationalen Solidarität diesen. Nicht dem Kapital.

Wir müssen eine Steuerreform durchsetzen, die jene stärker belastet, die mehr haben und jene entlastet, die weniger haben. Wir wollen durchsetzen, dass endlich alle den Anteil beitragen, den sie zum Funktionieren der Gesellschaft auch schuldig sind zu tragen. Kapitalerträge müssen höher besteuert werden, die Erbschaftssteuer muss reformiert werden Das heißt, dass wir über höhere Steuern für Reiche sprechen müssen. Steuern stellen keinen Selbstzweck dar. Sie sind das Schmiermittel, das notwendig ist, um grundlegende Aufgaben des Staates und das Funktionieren gesellschaftlichen Zusammenlebens zu finanzieren. Sie sind das Bindemittel, das nicht nur die Generationen des alten sozialdemokratischen Aufstiegsversprechens vor dem Abstieg schützen, sie sind ebenfalls der Treibstoff, der den Motor des erneuerten Aufstiegsversprechens der Sozialdemokratie gegenüber den Bürger_innen befeuert. Sie sind der Griff des Hammers, der die gläserne Decke dieses Systems durchschlägt.

Die SPD darf nicht länger dulden, dass Faschismus und Nationalismus um sich greifen. Sie muss konsequent für eine offene und tolerante Gesellschaft stehen. Wer sich gegen diesen Konsens stellt, denen sei der politische Kampf angesagt. Rassismus ist niemals Grundlage von Gesprächen. Wer sich diesen auf die Fahnen schreibt, muss sich auf den Widerstand durch die Sozialdemokratie einstellen. Demokratie, Rechtstaat, Offenheit, Gleichheit und Toleranz sind unverhandelbar.

Menschen sind auch heute noch durch ihre Klassenzugehörigkeit getrennt, auch wenn wir dieses nicht mehr so bezeichnen. Nicht durch ihre Staatsangehörigkeit. Wir dürfen nicht nur deklarativ für die Aufkündigung der nationalen Grenzen einstehen. Wir müssen wieder offen die Vereinigten Staaten von Europa fordern und in die Gesellschaft tragen. Die alte Nation müssen wir zu Grabe tragen. Wir müssen ein soziales Europa, in dem alle solidarisch, gerecht und in Freiheit leben können, schaffen.

Das sind die roten Linien. Das ist der Mindestkonsens, unter dem keine Zusammenarbeit möglich sein kann. So schaffen wir gesellschaftliche Mehrheiten. Die Summe dessen muss sein, dass Menschen ihr Glück finden können. Das muss und kann nur Aufgabe der SPD sein.

Unzweideutig ist es, dass es die Aufgabe ebendieser sozialdemokratischen Bewegung sein muss, Staat und Europa auf die Fundamente der Solidarität, der sozialen Gerechtigkeit, des Humanismus und des Antifaschismus zu stellen.Das Ziel: die Welt retten. Mindestens.

Bildquelle: [Von OTFW, Berlin – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21153061]

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