In seiner letzten Sitzung hat sich der Arbeitskreis Wirtschafts- und Sozialpolitik der Jusos München zusammen mit Philipp Dees (ehem. Landesvorsitzender der Jusos Bayern und promovierter Wirtschaftswissenschaftler an der FAU Erlangen-Nürnberg) getroffen, um über Verteilungsgerechtigkeit und ihre Verwirklichung mit Hilfe von Steuern, zu diskutieren. Insbesondere wurde darüber gesprochen, wie wachsender Ungleichverteilung mit staatlichen Umverteilungsmaßnahmen entgegen gewirkt werden kann. Vor allem eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Anpassung der Kapitalertragssteuer an die Einkommenssteuer und eine Substanzbesteuerung von 1% auf Vermögen über 500.000€ wurden besprochen.
Los ging´s mit einem Input von Philipp zu aktuellen Entwicklungen in der Einkommens- und Vermögensverteilung. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Verteilung sowohl von Vermögen, als auch von Einkommen deutlich verschlechtert: Inzwischen besitzt 1% der Bevölkerung 31% – 34% des Gesamtvermögens. Der Gini-Koeffizent veranschaulicht das Problem: er ist für Markteinkommen von 0,4 auf 0,5 gestiegen und für Vermögen sogar von 0,6 auf 0,78. (Gini-Koeffizient: Statistisches Maß um Ungleichverteilung darzustellen, 1 bedeutet einer hat alles, 0 bedeutet komplett gleiche Verteilung) Hierbei muss man beachten, dass der Koeffizient anhand einer Stichprobe erhoben wird. Daher ist es relativ unwahrscheinlich, dass Leute mit extrem hohen Einkommen oder Vermögen überhaupt erfasst werden. Es ist also anzunehmen, dass die eigentlichen Werte noch höher liegen.
Die Ursachen für eine ungleichere Verteilung des Markteinkommens liegen zum einen in der Entwicklung des Arbeitseinkommens (Ausbau des Niedriglohnsektors, Löhne steigen im Vergleich zum BIP unterproportional) zum anderen in der steigenden Ungleichverteilung von Vermögenseinkünften: der Gini-Koeffizient für Kapitalerträge liegt inzwischen bei ca. 0,88. Die staatlichen Umverteilungsmaßnahmen wirken vor allem beim Arbeitseinkommen und nur bedingt im Bereich der Kapitaleinkünfte.
Die wachsende Ungleichverteilung des Vermögens entspringt vor allem der Tatsache, dass um Vermögen aufzubauen hohes Einkommen nötig ist. Da Kapitalerträge ca. 1/3 des Markteinkommens ausmachen ergibt sich eine Art Teufelskreis: Wer Vermögen hat, hat ein höheres Einkommen aus Kapitalerträgen und kann so noch mehr Vermögen aufbauen, was wiederum zu noch höheren Kapitalerträgen führt (usw….).
Ein weiterer Faktor sind Wertzuwächse von Vermögen. Wer viel Vermögen hat generiert oft neues Vermögen allein durch die Wertsteigerung. Hinzu kommt, dass durch das Kleiner Werden von Familien Erbschaften nicht mehr wie früher üblich auf viele Personen aufgeteilt werden, sondern komplett an ein oder zwei, dementsprechend mehr erbende Personen gehen.
Eine staatliche Umverteilung gibt es im Bereich des Vermögens kaum: die Substanzbesteuerung von Vermögen wurde (bis auf die Grundsteuer) abgeschafft.
Momentan wäre eine Substanzbesteuerung laut Bundesverfassungsgericht nicht zulässig: sie würde die im Grundgesetz geregelte Eigentumsgarantie verletzen. Außerdem wurde der Spitzensteuersatz für Kapitalerträge, der zuvor an den Einkommensteuersatz gekoppelt war mit der Einführung der Abgeltungssteuer 2009 auf 25% festgelegt. Auch im Bereich der Arbeitseinkommensbesteuerung ist die staatliche Umverteilung zurück gegangen: der 1975 noch bei 56% liegende Höchstsatz wurde bis 2005 auf 42% abgesenkt und 2007 wieder auf 45% gehoben.
Wie könnte man nun der wachsenden Ungleichverteilung entgegen gewirkt werden?
Hier eine Zusammenfassung der Juso-Positionen (2010):
- Hebung des Spitzensteuersatzes auf 53% + 3% für besonders hohes Einkommen
- Besteuerung von Kapitalerträgen entsprechend der Besteuerung des Arbeitseinkommens
- Erweiterung der Bemessungsgrundlage für Körperschafts- und Gewerbesteuer
- Abschaffung des Ehegattensplittings (eher unter dem Gesichtspunkt der Gleichverteilung zwischen Männern und Frauen)
- Erhöhung des Tarifs der Körperschaftssteuer
- Erhöhung der Erbschaftssteuer, Staffelung der Steuersätze und senken der Freibeträge
- Vermögenssteuer: Substanzbesteuerung von 1% ab einem Freibetrag von 500.000€ (folgende Begründung: mit einem Vermögen über 500.000€ sollte es jeder schaffen, mehr als 1% Ertrag zu erwirtschaften. Dieses Modell hat im Vergleich zu einer reinen (sehr hohen) Kapitalertragssteuer den Vorteil, dass Investitionen (mit höherem Risiko aber auch höheren Gewinnmöglichkeiten) weiterhin attraktiv bleiben und so Wirtschaftswachstum ermöglichen).
Bild: flickr/ari CC BY NC ND 2.0
Für die theoretische Vertiefung des Themas ist die Böckler-Studie
„Thomas Piketty und die Verteilungsfrage“ sicher interessant
http://www.boeckler.de/pdf/Piketty_Verteilungsfrage.pdf
Die Problematik von Erbschaften wird in Julia Friedrichs
kürzlich erschienen Buch „Wir erben“ (ISBN: 978-3-8270-1209-8)
beschrieben und aufgearbeitet.
Die Beschlusslage der Jusos vom Bundeskongress 2010 in Essen
Beschlussbuch Antrag K2, Seite 131
http://www.jusos.de/sites/default/files/Beschlussbuch_BuKo_2010_0_0.pdf